: Der Klügere legt nach
■ Finanzausgleich: Nach langem Sträuben zahlen MDR und NDR nun doch für die ärmeren ARD-Anstalten. Der MDR holte dafür den neuen Kinderkanal nach Erfurt
Die letzte Warnung zeigte Wirkung: „Wenn sich die ARD bei einem Finanzvolumen von zehn Milliarden Mark im Jahr über eine Differenz von 20 bis 30 Millionen nicht einigen kann, wäre das für ihr Image verheerend.“ Was Rainer Conrad, Chef der für die Rundfunkgebühren zuständigen Kommission KEF, den Intendanten via Focus ins Stammbuch schrieb, zeigte Wirkung. Zwar brauchte es noch zwei lange Sitzungstage in Magdeburg und am Dienstag eine Nachtsitzung bis 3 Uhr morgens, aber dann stand der Kompromiß über den Finanzausgleich von 1997 bis zum Jahr 2000.
Ohne den reichen WDR, der keine Mühe hatte, noch einmal zehn Millionen draufzulegen und künftig die Hälfte der Kosten trägt, wäre es ohnehin nicht gegangen. Doch dann hatte der ARD-Vorsitzende und Verhandlungsführer Albert Scharf noch zwei harte Sender zu knacken, die eigentlich nicht in den 186-Millionen-Topf einzahlen wollten. Als erstes der NDR. Er sah sich bei der Gebührenerhöhung, die ab 1997 kommt, besonders benachteiligt und wollte höchstens noch einen „symbolischen Beitrag“ leisten. Da die KEF die Sparanstrengungen des NDR gelobt hatte, hoffte sein Intendant Jobst Plog, die Kommission würde im Zweifelsfall den Schiedsrichter zu seinen Gunsten spielen. Doch KEF-Chef Conrad machte ihm persönlich klar, der Schuß könnte für ihn auch nach hinten losgehen. In einem epd-Interview deutete Plog dann am Freitag erstmals Kompromißbereitschaft an: Man müsse „nicht immer über Finanzprobleme (reden), sondern wieder mehr über das Programm“. Nun wird der NDR künftig immerhin rund die Hälfte der bisherigen 33 Millionen einzahlen.
Als besonders widerstandsfähige Nuß erwies sich der MDR. Dessen Intendant Udo Reiter hatte sich seit langem festgelegt: Keine müde Aufbaumark Ost sollte „in den Westen zurückfließen“. Nur pfeifen es die Spatzen von den Dächern, daß der MDR dabei ist, sich einen hübschen Tresor zuzulegen. Nicht zuletzt, weil er künftig 48 Pfennig im Monat pro Gebührenzahler zusätzlich bekommt, die er vorläufig gar nicht braucht. Sie sind für die fehlende Deckung in den Altersversorgungen der ARD-Anstalten in den alten Ländern gedacht. Weil der neugegründete MDR solche Lücken nicht hat, wird er jetzt rund 13 Millionen an den notleidenden SFB weiterreichen. De facto steigt er damit in den Finanzausgleich ein – nur wird es nicht so genannt, damit Intendant Reiter sein Gesicht wahren kann.
Der ORB steuert aus derselben Quelle noch drei Millionen für den SFB bei. Dafür produziert er künftig ein Viertelprozent mehr vom ARD-Gemeinschaftsprogramm, der SFB entsprechend weniger. „Aber das bleibt ja in der Region“, sagt ORB-Intendant Hans-Jürgen Rosenbauer und fügt gleich hinzu, daß er die geplante Fusion mit dem SFB jetzt erst recht vorantreiben will – egal ob die Fusion von Berlin und Brandenburg bei der Volksabstimmung am 5. Mai gebilligt wird oder nicht. Nachdem die Intendanten solcherhand Prozente und Millionen hin- und hergeschoben hatten, konnte im offiziellen Finanzausgleich die Summe für den SFB von 25 auf 10 Millionen gesenkt werden.
Schließlich gab es noch zwei Sender, die die Krisensitzung endgültig zum orientalischen Basar werden ließen. Ausgerechnet die beiden, die schon bisher mit den höchsten Summen alimentiert wurden, zogen dabei alle Register. Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen, auf deren Abschaffung vor allem die Ministerpräsidenten Biedenkopf und Stoiber drängen, pokerten solange, bis sie auf die bisherigen Summen noch einen Inflationszuschlag von gut acht Prozent bekamen.
Ihre subtile Drohung: Die Ministerpräsidenten ihrer Länder könnten ja die ganze Gebührenerhöhung platzen lassen. Nicht zu Unrecht sahen die Intendanten aus Bremen und Saarbrücken hier die letzte Gelegenheit, sich bis zum Jahr 2000 noch ein kleines Polster zuzulegen. Denn danach wird es voraussichtlich keinen Finanzausgleich mehr geben. Das ist der Preis, den die SPD-Länder beim Rundfunkstaatsvertrag dafür zahlen mußten, daß Biedenkopf und Stoiber die ARD diesmal noch unangetastet ließen.
Auch auf der Magdeburger Intendantentagung mußte noch ein Preis entrichtet werden, den offiziell niemand zugeben wird. Als es zur Abstimmung über den Sitz des neuen Kinderkanals von ARD und ZDF kam, hatte sich das Stimmenverhältnis innerhalb einer Nacht umgekehrt, plötzlich stand es 6:5 für Erfurt und gegen Potsdam. Eigentlich sprach alles für den Sender mit den großen und wenig ausgelasteten Babelsberger Studios: Die moderne Ausstattung für die Produktion von computeranimierten Kinderfilmen, das Know-how von Filmern des alten DDR-Kinderfernsehens genauso wie von Produktionsfirmen in Berlin. Nun gehen die rund 30 Arbeitsplätze nach Erfurt. Aber das war eben der Preis für den Einstieg des MDR in die Gemeinschaft der Zahlenden. Michael Rediske
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