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Nur Mainstream

■ Studiengebühren führen zu einer unkritischen Wissenschaft an den Unis

Welche Konsequenzen hätten Studiengebühren für die Wissenschaft? Diese Frage kommt in der Diskussion um Studiengebühren meist zu kurz. Nach marktwirtschaftlichem Verständnis sind Studiengebühren so etwas wie der Preis für eine Dienstleistung. Damit würde in letzter Konsequenz ein Steuerungsmechanismus geschaffen, der das Hochschulsystem völlig aushebelt: An die Stelle des Rechts auf Bildung träten die Kriterien Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft. Doch diese Kriterien hängen vom familiären Hintergrund ab. Und vom Gebrauchswert der Gegenleistung: den Studienangeboten. Ausschlaggebend für die Bewertung dieser Angebote sind die individuellen Chancen, die ein bestimmtes Studium in der Gesellschaft eröffnet. Anders gesagt: Wer gezwungen ist, Gebühren zu bezahlen, ist um so mehr genötigt, deren „Rendite“ stärker am Arbeitsmarkt und/oder an eingeschliffenen Karrieremustern zu orientieren. Dies ist erst recht der Fall, wenn Studiengebühren über Kredite finanziert werden müssen, da nur beruflicher Erfolg die Rückzahlungsfähigkeit garantiert. Eine solche Lenkung des Bildungsverhaltens ist nicht „innovativ“, sondern strukturkonservativ und patriarchalisch.

In den Hochschulen würde ein komplementärer Steuerungseffekt einsetzen: In dem Maße, in dem die Fachbereiche auf Einnahmen aus Gebühren angewiesen wären, müßten sie mit „attraktiven“ Angeboten Studierende anlocken. Sie müßten sich mehr an Kriterien wirtschaftlicher Verwertbarkeit orientieren. Das Ergebnis wäre eine opportunistische und affirmative Standort-Deutschland-Wissenschaft, die sich ausschließlich am gesellschaftlichen Mainstream orientieren würde, bestimmt durch Macht, Markt und Geld. Fehlt da vielleicht irgendwas? Torsten Bultmann

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