piwik no script img

Schluß mit lustig

Das Uni-Leben ist auch nicht mehr das alte: Knappe Zeiten für den studentischen Geldbeutel  ■ Von Ralph Bollmann

Vor ein paar Monaten noch glaubte sich Karsten B. für den Rest seines Studiums finanziell abgesichert. Zwar hatten seine Eltern angekündigt, ihre monatlichen Überweisungen reduzieren, weil sich auch in ihrer Haushaltskasse die allgemeine Finanzkrise bemerkbar macht. Doch am 1. April wollte er eine Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft (Hiwi) bei seinem Germanistikprofessor antreten. Da er für seine Schöneberger Hinterhauswohnung nur 200 Mark Miete bezahlte, würde das Geld reichen.

Aber als Karsten im Institutssekretariat erschien, um seinen Vertrag zu unterschreiben, gab es ein böses Erwachen. Wegen der vom Senat verhängten Stellenbesetzungssperre könnten derzeit keine neuen Verträge abgeschlossen werden, erklärte ihm die Sekretärin. Die Hiobsbotschaft traf Karsten umso härter, als ihm der Vermieter kurz zuvor die Sanierung seines Hauses angekündigt und eine Ausweichwohnung zum doppelten Preis angeboten hatte.

Wie Karsten geht es derzeit vielen Berliner Studierenden. Weil Hiwi-Verträge von allen Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst die mit zwei Jahren kürzeste Laufzeit haben, sind sie von der Stellensperre am stärksten betroffen. Die anderen Einnahmequellen drohen ebenfalls zu versiegen. Die Zahl der Bafögberechtigten sinkt, Eltern zahlen in Zeiten des knappen Geldbeutels weniger, die ohnehin seltenen Stipendien werden weiterreduziert, Jobs machen sich in Zeiten der Rezession rar. Auch die Kürzung der Zuschüsse für die Wohnungsmodernisierung trifft die Studierenden überdurchschnittlich. Obwohl sie nur einen Anteil von vier Prozent an der Gesamtbevölkerung stellen, bewohnen sie ein Viertel der Westberliner Substandardwohnungen, ermittelte das Studentenwerk.

Durch Modernisierung, Einführung des Vergleichsmietensystems im Osten und die allgemeine Mietensteigerung seit der Vereinigung gerät das knappe studentische Budget von monatlich 1.161,90 Mark an den Ostberliner und 1.379,30 Mark an den Westberliner Hochschulen an seine Grenzen, zumal die Mieten für Studierende im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung schneller steigen. Hinzu kommt die rasante Steigerung der Nebenkosten, die sich in den letzten Jahren nahezu verdoppelt haben. Selbst die Studentenwohnheime sind, auf den Quadratmeter umgerechnet, zum Teil schon teurer als reguläre Mietwohnungen.

Auch die Verkehrsgemeinschaft Berlin-Brandenburg (VBB) langt kräftig zu. 59 Mark muß Karsten jetzt für sein Monatsticket hinblättern, vor drei Jahren waren es erst 34 Mark. In Berlin kann er immerhin aufs Fahrrad umsteigen, bei der Fahrt ins heimatliche Bremen geht das nicht. Die Bahn verlangt für die Rückfahrkarte seit der letzten Preiserhöhung selbst mit Bahncard 120 Mark. Theaterbesuche werden ebenfalls teurer.

Mehr Geld brauchen die Berliner Studierenden auch deshalb, weil sie mit 26,4 Jahren im Schnitt ein Jahr älter sind als in Westdeutschland. Demnächst muß Karsten 80 Mark pro Monat an die Krankenkasse überweisen, denn dann hat er die Altersgrenze überschritten hat. Auch die Bahncard wird ihn nach dem 27. Geburtstag 220 statt bisher 110 Mark kosten.

Weil er vor seinem Germanistikstudium bereits vier Semester etwas anderes studiert hatte, muß er als „Langzeitstudent“ einen höheren Studentenwerksbeitrag zahlen. Dazu käme ab dem Wintersemester auch noch die neue „Verwaltungsgebühr“ von 100 Mark. Doch hier hat der Senat seine Rechnung ohne Karsten gemacht. Wer an der FU seine Abschlußprüfung ablegen will, muß dort nur irgendwann einmal drei Semester eingeschrieben gewesen sein. Deshalb wird sich Karsten seinen Studentenausweis im Herbst in Potsdam abholen: Die Brandenburger verwalten ihre Studierenden noch gratis.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen