: „Polizei gefährdete Reemtsma“
■ Pastor Christian Arndt, Geldüberbringer beim Reemtsma-Kidnapping, erhebt schwere Vorwürfe gegen Sonderkommission der Polizei Von Marco Carini
Schwere Vorwürfe gegen die polizeiliche Sonderkommission im Entführungsfall des Multimillionärs Jan-Philipp Reemtsma erhebt der Hamburger Pastor Christian Arndt. Er hatte den Entführern am Donnerstag morgen 30 Millionen Mark Lösegeld überbracht. Für Arndt, der vom dem Gekidnappten in einem Brief gebeten worden war, an der Polizei vorbei die Lösegeld-Übergabe zu organisieren, hat das Vorgehen der Ermittler „das Leben von Jan Philipp Reemtsma gefährdet“.
Reemtsma selbst habe in dem Schreiben die Polizei für das Scheitern der ersten beiden Lösegeldübergaben verantwortlich gemacht. Die Entführer, die ausdrücklich gefordert hatten, die Polizei aus dem Spiel zu lassen, hätten gemerkt, daß die polizeilichen Fahnder mit Anwalt Johannes Schwenn, dem ersten Geldüberbringer, eng zusammengearbeitet hätten und auch bei den gescheiterten Geldübergaben in der Nähe gewesen seien. Deswegen hätten sie beim zweiten Übergabe-Versuch das Geld nicht abgeholt.
Nach dem Brief Reemtsmas sei ihm, so Arndt, klar gewesen, daß er bei der Planung der Geldübergabe „nur einen Gegner gibt – die Polizei“. Deshalb habe er – mit Hilfe eines von Jan Philipp Reemtsmas Frau, Ann Kathrin Scheerer, eingeschalteten Sicherheitsdienstes – ohne Wissen der Sonderkommission 30 Millionen Mark aus der Schweiz und den USA besorgen lassen. Die Polizei wurde von Ann Kathrin Scheerer zunächst auf die falsche Spur gelenkt, daß der von Arndt als Mittelsmann eingeschaltete Ex-GAL-Politiker Michael Herrmann daß Geld überbringen werde.
Erst Anfang vergangener Woche erfuhr die Polizei offiziell, daß Arndt zusammen mit dem Kieler Soziologie-Professor Lars Clausen die Geldübergabe versuchen werde. Arndt: „Es hat keinen Kontakt zwischen uns und der Polizei gegeben. Die Sonderkommission war völlig aus dem Spiel.“ Ann Kathrin Scheerer war vergangene Woche bei Bürgermeister Henning Voscherau mit der Bitte vorstellig geworden, die Polizei bei der dritten Geldübergabe völlig aus dem Spiel zu lassen.
Die Entführer hatten sich auf Vorschlag von Jan Philipp Reemtsma am 15. April bei Christian Arndt telefonisch gemeldet. Am Freitag, dem 19. April, wurde er ins Hotel „Fürst Bismarck“ bestellt und dort von den Entführern angerufen, denen er die Nummer seines Handys ebenso mitteilte wie die Tatsache, daß „mit Michael Herrmann ein dritter Mann im Spiel sei“, da Arndt nicht persönlich Kontakt mit Frau Scherer aufnehmen könne, ohne ins Visier der Polizei zu geraten.
Am vergangenen Dienstag teilten die Entführer Arndt gegen 19 Uhr mit, er solle sich für die Geldübergabe bereithalten. Kurz nach 23 Uhr erfolgte dann am Mittwoch der Startschuß: über Bremen und Münster wurden die beiden Geldboten nach Krefeld-Fischelen gelotst, wo sie per Handy aufgefordert wurden, den Wagen in einem Feldweg zu parken und sich zu Fuß zu entfernen.
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