■ Querspalte: Qualen wegen Reemtsma
Wer weiß, was Qualen sind? Journalisten, wer sonst. Gut, vielleicht noch dieser Reemtsma, aber das tut nichts zur Sache. 33 Tage haben alle sechs Millionen Journalisten dieses Landes nicht geschrieben, was sie alle wußten, alle. Das sind Qualen.
Können Sie sich jetzt vorstellen, wie das ist, wenn man über etwas nicht schreibt, das keiner weiß, kein einziger?
Ich bin ganz ehrlich: Am Anfang ist es mir natürlich nicht aufgefallen. Mir hat für so etwas auch jede Vorstellung gefehlt. Aber dann haben sich in diese Unmöglichkeit Zweifel gemischt. Woody Allen hat dieses Gefühl prägnant beschrieben: „Ich glaube nicht an die Unsterblichkeit, aber ich habe immer Unterwäsche zum Wechseln bei mir.“ Genau das war es.
Also, ich habe alles genau rekonstruiert. 8. März: Krise in der taz-Chefredaktion. Ein Richtungsstreit, von dem bisher keiner was wußte, bricht aus. 18. März: Hinter dem Streit stehen verschiedene Finanzkonzepte, teilt der taz-Vorstand mit. 21. März: Einer der drei Chefredakteure ist für die große Lösung, den „big gig“. Den Finanzbedarf für die taz umreißt er mit 20 Millionen Mark. 25. März: Reemtsma wird in Hamburg entführt. Die Entführer fordern 20 Millionen in Deutscher Mark und Schweizer Franken (!). 26. März: Der taz-Chefredakteur („big gig“) soll der Belegschaft sein Finanzmodell erklären. Geht nicht, heißt es, er sei zu Gesprächen mit Investoren in Hamburg. 3. April: Die erste Geldübergabe scheitert. 14. April: Die zweite auch. 16. April: Der taz-Chef ist wieder aufgetaucht. Die Lage hat sich geändert, sagt er. Um die Zeitung zu retten, bräuchten wir 30 Millionen. 18. April: Die Entführer erhöhen das Lösegeld auf 30 Millionen. 25. April: Die Geldübergabe klappt. Reemtsma wird freigelassen. 27. April: In der Krise um die taz-Chefredaktion zeichnet sich ein Kompromiß ab. Alle sind entspannt.
„Heiße Spur nach Berlin“, titelte gestern bereits die BZ. Seien wir realistisch, denken wir das Unmögliche. Hinweise nehmen alle Dienststellen der deutschen Volkspolizei entgegen, auf Wunsch auch vertraulich. Jens König
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