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■ ContraArgumente zur Volksabstimmung am 5. Mai über die Länderfusion Berlin - Brandenburg

Eine Regierung für insgesamt 6,2 Millionen Einwohner arbeitet vermutlich zentralistischer als zwei Regierungen. Wegen der schlechten Haushaltslage sowohl in Berlin wie in Potsdam muß die Ministerialbürokratie aber ohnehin abspecken. Nach einer Fusion könnte deshalb sinnvoller gespart werden.

– Weniger Abgeordnete bedeutet eine größere Ferne des Parlaments zu seinen Wählern. Allerdings wird dieser Nachteil in Berlin durch die Bildung einer Stadtverordnetenversammlung mit 150 Mitgliedern und einer Stadtregierung ausgeglichen.

– Die Anzahl der Stimmen im Bundesrat schrumpft: Aus acht werden fünf.

– Ein gemeinsames Bundesland erhält insgesamt weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich. Das Stadtstaatenprivileg von knapp fünf Milliarden Mark wird zwar elf Jahre lang voll weitergezahlt, aber in den darauffolgenden Jahren sukzessive auf Null reduziert.

– Berlin hat sich verpflichtet, Lausitzer Braunkohle zu verfeuern, und trägt so zur Umweltzerstörung in der Lausitz bei – um Arbeitsplätze zu retten.

– Konservative könnten das Brandenburger Polizeigesetz als Maßstab durchsetzen. Auch in Berlin wäre dann erlaubt: der „finale Rettungsschuß“, der „große Lauschangriff“ und das „Unterbringungsgewahrsam“, mit dem Personen vier Tage lang festgehalten werden können, die möglicherweise eine Straftat begehen.

Kommunalwahlen werden nur noch alle fünf Jahre stattfinden. Die Bezirke sollen entgegen Zusagen, sie zu stärken, geschwächt werden: Der Rat der Bürgermeister ist nicht mehr als Verfassungsorgan abgesichert. Verhandlungspartner für das Land ist die Stadt Berlin und nicht mehr die Bezirke, zu Bebauungsplänen von Nachbargemeinden soll die Stadt und nicht der benachbarte Bezirk Stellung nehmen.

– Berlin ist keine Landeshauptstadt mehr. Kitagruppen und Schulklassen werden wahrscheinlich auf die Größen von Brandenburg angehoben.

– Der neue Landtag kostet 500 Millionen Mark.

– 1998 hat Berlin 57,1 Milliarden Mark (pro Kopf 16.800 Mark), Brandenburg aber nur 24 Milliarden Mark (pro Kopf 9.400 Mark) Schulden. Die Brandenburger haben Angst im Falle einer Pleite Berlins, für diese Schulden mit aufkommen zu müssen, obwohl die Verteilung von Finanzen zwischen Land, Stadt Berlin und den Gemeinden im Staatsvertrag genau geregelt ist. So übernimmt das Land für die Berliner pro Kopf nur soviel Schulden, wie die Brandenburger pro Kopf angehäuft haben. Der Rest bleibt bei der Stadt Berlin.

– In ein gemeinsames Parlament entsenden die Berliner 58 Prozent und die Brandenburger 42 Prozent der Abgeordneten. Die Brandenburger fürchten deshalb die Dominanz der Großstadt. Diese Angst dürfte allerdings unberechtigt sein, weil beispielsweise ein Berliner CDU-Abgeordneter auch in einem Land mit einem Brandenburger Parteifreund mehr Gemeinsamkeiten haben dürfte als mit einem Berliner PDS-Mann. Im Staatsvertrag ist außerdem festgehalten, daß neue Stellen in der Landesverwaltung entsprechend der Bevölkerungszahl mit 58 Prozent Berlinern und 42 Prozent Brandenburgern besetzt werden.

Höhere Personalkosten in einem Land.

– Die meisten Brandenburger Lehrer sind Angestellte, die meisten Westberliner und ein Viertel der Ostberliner aber Beamte. Von Personalabbau sind die Brandenburger härter betroffen.

Nur Planungen auf dem Papier: Brandenburg fehlt das Geld für den Ausbau und den Betrieb der Hochschulen. Und Berlin hat bereits wegen Geldmangels beschlossen, seine Studienplätze bis zum Jahr 1999 auf 85.000 abzubauen.

– Brandenburg wird an seiner Verfassung Abstriche machen müssen: Es gibt möglicherweise kein Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht mehr für Landtagsabgeordnete, Parteien benötigen drei Direktmandate statt wie jetzt nur eines, um bei einem Scheitern der Fünfprozenthürde in den Landtag einziehen zu dürfen.

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