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Wer redet mit Schoreh Baddi?

Schoreh Baddi leidet noch immer unter den Folgen des Mykonos-Attentats, bei dem ihr Mann und drei weitere iranische Oppositionspolitiker starben. Der Anschlag wurde zum Prüfstein für die Politik des kritischen Dialogs  ■ Von Vera Gaserow

Natürlich ist es nur so eine fixe Idee: Eines Tages könnte es an der Haustür klingeln, und durch die Gegensprechanlage würde eine Männerstimme sagen: „Guten Tag, mein Name ist Kinkel, ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten.“ Die zierliche Frau mit dem dunklen Haarschopf würde dem hochgewachsenen Herrn im gedeckten Zweireiher vielleicht einen Tee anbieten und ihm dann ihre Trauer und Wut entgegenschreien. Vielleicht würde sie auf das Foto zeigen mit dem gutaussehenden, nachdenklich lächelnden Mann: „Mit seinen Mördern führt ihr euren kritischen Dialog.“

Eine fixe Idee, wie gesagt. Klaus Kinkel wird kaum je vor ihrer Haustür stehen, das weiß Shoreh Baddi. Es ist ja auch kein anderer hochrangiger Politiker gekommen seit jenem Herbsttag vor dreieinhalb Jahren. Für die deutsch-iranischen Beziehungen ist dieser Tag zum Prüf- und Stolperstein geworden, für Shoreh Baddi ist er der Riß, der sich durch ihr Leben zieht.

„Ich kann nicht nur trauernde Witwe sein“

An diesem 17. September 1992 stürmt ein Killerkommando das Berliner Restaurant „Mykonos“ und löscht die gesamte Führungsspitze der Demokratischen Partei Kurdistans im Iran aus. Vier iranische Oppositionelle sterben im Kugelhagel. Einer von ihnen ist Nuri Dehkordi, seit 22 Jahren als anerkannter politischer Flüchtling in Berlin, Shoreh Baddis Mann, Vater ihrer Tochter, Weggefährte im politischen Exil, Geliebter.

Die tödlichen Schüsse, in Sekundenschnelle abgefeuert, haben jahrelange Verletzungen hinterlassen. „Wie in zwei Teile gerissen“ hat sich Shoreh Baddi seitdem gefühlt. „Die eine Hälfte war wie mitgestorben. Es war, als ob alle Kraft aus mir abgesaugt war.“ Erst jetzt, dreieinhalb Jahre nach dem Blutbad im „Mykonos“, spürt die Dreiundvierzigjährige wieder Anzeichen von Lebenslust. „Allmählich bekommt der Schmerz seinen richtigen Platz, er nimmt nicht mehr den ganzen Körper in Besitz.“

Nach dem Attentat hat Shoreh Baddi monatelang überlegt, den Ort der schrecklichen Erinnerung und der Angst zu verlassen. Sie wollte mit ihrem Kind nach Kanada auswandern, sich ins Privatleben zurückziehen. Doch dann hat sie sich anders entschieden: „Ich kann nicht nur arme trauernde Witwe sein.“ Das glaubt sie ihrem Mann schuldig zu sein, ihren iranischen Freundinnen und Freunden und sich selbst.

Seit mehr als zwei Jahren sitzt deshalb eine schmale, ganz in Schwarz gekleidete Frau im panzerglasgeschützten Saal 700 des Landgerichts Berlin-Moabit. Als Nebenklägerin verfolgt Shoreh Baddi beinahe jede Sitzung des Mykonos-Prozesses. Sie hat ihr Leben darauf eingerichtet, keinen Prozeßtag zu verpassen – Urlaub, Arbeitszeit, Dienstplan sind auf den Terminplan des Gerichts abgestimmt. Shoreh Baddi will sie sehen, die Mörder ihres Mannes, und sie will sie mit ihrer Anwesenheit konfrontieren.

Daß ein Gericht jetzt schon seit über zwei Jahren mit Geduld und Ernsthaftigkeit auch die politischen Hintergründe des Attentats durchleuchtet, ist ein wesentlicher Grund, der Shoreh Baddi zum Bleiben in Deutschland bewogen hat. Als die Bundesanwaltschaft Mitte März einen Haftbefehl gegen den iranischen Geheimdienstminister Fallahian wegen Urheberschaft für das Mykonos-Attentat erließ, da war das für sie wie Medizin gegen den Schmerz, der immer noch da ist.

Konsequenter als zuvor hat sich Shoreh Baddi nach dem Mykonos- Attentat politisch engagiert. „Mir ist vieles klarer geworden, vor allem, daß es mit diesem Regime in Teheran keinen „kritischen Dialog“ geben kann. „Die sind ideologisch nicht fähig, Menschenrechte einzuhalten, das haben sie oft genug unter Beweis gestellt.“ Das politische Engagement hat ihr neue Freundinnen und Freunde und alte Feinde gebracht. „Natürlich bin ich dem Regime in Teheran ein Dorn im Auge, allein schon durch die Nebenklage im Prozeß. Aber was hätte ich tun sollen? Ein unpolitisches Leben führen, damit ich vielleicht, vielleicht vor ihnen Gnade finde?“

Jedes Gespräch über den Vater blockt Sahra ab

Das klingt entschieden und mutig und ist doch nur die eine Seite. Die andere ist Angst. Wie Hunderte von iranischen Oppositionellen in Deutschland führt Shoreh Baddi ein Leben mit Einschränkungen und Risiken: nicht alleine spazierengehen, sich immer vergewissern, wer in der Nähe ist, ständig auf der Hut sein, Orte und Veranstaltungen meiden, an denen ein ferngelenkter Mörder eine Waffe ziehen könnte.

Was das Killerkommando am 17. September 1992 angerichtet hat, wird Shoreh Baddi nie ganz aus ihrem Leben „wegradieren können“. Mit Hilfe von FreundInnen, ArbeitskollegInnen, Ärzten und Therapeuten hat sie wieder Kraft geschöpft, „aber meine Gefühle sind immer noch im Kampf mit dem Schmerz und der Angst, und die seelischen Folgen für meine Tochter werde ich noch jahrelang auffangen müssen“. Bis heute blockt die dreizehnjährige Sahra jedes Gespräch über ihren Vater ab. In den ersten Monaten nach dem Attentat hat sie ihre Mutter noch gefragt: „Wann bist du endlich wieder wie früher?“ Jetzt hüllt sie sich bei dem Thema nur noch in Schweigen. „Es ist“, sagt Shoreh Baddi, „als ob sie erst jetzt den Verlust des Vaters richtig begreift. Aber über diese Folgen machen sich Politiker nur wenig Gedanken. Sie reden mit den Tätern, nicht mit den Opfern.“ Wenn es, fixe Idee, eines Tages klingeln würde an Shoreh Baddis Haustür, und – „hier Kinkel“ – der deutsche Außenminister dastünde, er müßte sich gefaßt machen auf einen „kritischen Dialog“.

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