Sanssouci: Nachschlag
■ Erniedrigte Studenten wehren sich: Altgriechisch II in der U1
Eigentlich klang alles prima. Im Rahmen des Studentenprotestes sollte am Dienstag nachmittag ein Hans-Henny-Jahnn-Seminar der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaften (AVL) im Zoo stattfinden. Die Idee entbehrte nicht einer feinen Selbstironie (die sogenannten Orchideenfächer im Botanischen Garten zu präsentieren, wäre ein bißchen zu grobschlächtig gewesen) und ließ sich zudem auch noch inhaltlich mit Jahnn verknüpfen. Nur war der Zoo zu, als das Seminar gerade beginnen sollte, und in die U-Bahn zu gehen, hatte man auch keine Lust, obgleich die bisherigen U-Bahn-Aktionen – Altgriechisch-II in der U1 – auf eifrig applaudierende Resonanz gestoßen waren. Die protestierenden Studenten hatten übrigens alle einen Fahrschein. Weil Dienstag abend protestfrei war, schauten die Komparatisten melancholisch auf die übriggebliebenen Graffiti des Studentenstreiks von 88/89 und berichteten vom Stand der Dinge: Erwartungsgemäß seien die Publizisten besonders inaktiv, eine Vollversammlung der Philosophen – „eigentlich nur die Marx-AG“ – habe gerade einen Streik beschlossen, kicherte eine Aktivistin, die Mediziner seien streikentschlossen, und die noch nicht so sehr von westlichen Selbstzweifeln, Vereinzelung und Entfremdung angeschwächelten „Ostler“ von der HU seien besonders aktiv. Bewundernd flüstert man von 300 Seminaren auf dem Alexanderplatz. Etwas skurril findet man allerdings die symbolische Tiergartentunnelbuddelei, die HU-Studenten am Freitag ab sechs starten wollen. Ob jemand kommt? Den Ostlern traut man alles zu. Detlef Kuhlbrodt
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