: Bananen für Beta-Junkies
„Begeben Sie sich mit dieser Vorabversion des neuen Netscape WWW-Browsers in die Welt der Datenkommunikation der nächsten Generation: ,Atlas‘ bietet Ihnen als Nachfolger des beliebten Netscape Navigator viele Verbesserungen und Erweiterungen, unter anderem: Video- und Multimedia-Unterstützung, bunte Tabellen, 3D-Animationen und Telefonieren via Internet mit Cool Talk. Sehr sehenswert!“
So steht es im einschlägigen Forum bei CompuServe, und woanders klingt es auch nicht anders. Das ist so richtig etwas für Beta- Junkies. Die Version 2 des Netscape-Browsers ist gerade mal seit der CeBIT am Markt, da wird schon die 3 angekündigt und die Betaversion zum Download bereitgestellt. Sechs Megabyte schwer – das kostet so manche Online-Minute und verstopft die Leitungen.
Dem Junkie ist's egal – Hauptsache, alles ist schön bunt animiert und, vor allem: neu! Daß es sich um eine „Preview“ handelt, die alles andere als stabil ist und die exakt am 15. Juli ihren Geist aufgibt, weil das Verfallsdatum erreicht ist, ist ihm egal. Bis dahin gibt es sicher eine neue Preview – mit noch mehr Megabyte und noch mehr Schickies.
Wozu braucht er bunte Tabellen? Vielleicht, um seine Miesen bei der First Virtual in Rot be
trachten zu können. Um eine Flugverbindung abzufragen, ist jedenfalls kein drehender Globus nötig, als Java-Aplet, das sowieso nicht richtig funktioniert. Der Normalanwender (ich kenne einen!) hat ganz andere Probleme. Den Netscape-Browser gibt es in so vielen Varianten, daß kein Mensch mehr durchsteigt (außer dem Beta-Junkie vielleicht): als 16- und als 32-Bit-Version für beide Windows-Generationen, als „Gold 32“ für alle, die es noch schicker haben wollen und noch mehr „Plug-ins“ brauchen.
Aber nicht alles läuft mit jedem Winsock (das ist die alles tanzende, alles singende Windows- Datei, die hinter allem die Übertragungsprotokolle und TreiberInnen zur Verfügung stellt). Daran sollen sich schon welche zu Tode konfiguriert haben. Es ist schon kurios: Ich kann mir, um aktuell zu sein, die „Beta 7“ von Netscape 2 holen – oder aber gleich die Preview der 3. Ob dann die mühsam zusammengeschaufelten Plug-ins noch funktionieren, weiß ich nicht: die Netscape Smartmarks, das IRC-Modul zum Chatten, und vor allem Shockwave, das einzige Modul, mit dem ich live und in Farbe internetmäßig hinter die Kulissen der Harald-Schmidt-Show blicken kann. Und wahrscheinlich gibt es nur einen, der das Ganze lustig findet: Billy the Gates von der Konkurrenz.
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