: Statthalter in Watteweiß
Dank einer göttlichen Eingebung bekam der bisher geschmähte Emil Kostadinov die Erlaubnis, den Bayern ein 3:2 gegen Köln zu sichern ■ Aus München Markus Götting
Wir blickten hinauf zum Himmel im Münchner Olympiastadion, und dann stellten wir uns vor, da oben, auf einem jener watteweißen Wölkchen, säße irgendwo der Fußballgott und es gäbe ihn wirklich, und vielleicht besäße er sogar ein Handy und habe vor ein paar Stunden mit Franz Beckenbauer telefoniert. Wir machten uns kein Bild von der überirdischen Gestalt, weil dort unten am Spielfeldrand ja der Herr Beckenbauer, sein irdischer Statthalter, leibhaftig gegenwärtig war, in brauner Wildlederjacke und mit einem Baseballkäppi auf dem schütteren Haar. Und als dieser später in die Kabine marschierte, wäre man ganz gern hinterhergelaufen, um zu prüfen, ob er nicht aufgefahren war für eine Viertelstunde, letzte Ratschläge einholend für die zweite Halbzeit, aber es ist verbürgt, daß der Franz zur Pause eine kleine Ansprache gehalten hatte vor seinen Jüngern.
Wunderliches war wieder geschehen beim 3:2 des FC Bayern gegen den 1. FC Köln. Der Trainer-Präsident Franz Beckenbauer hatte einen Untergebenen aufgeboten, den man eher auf der Tribüne, denn zu Felde vermutet hätte, weshalb mit Erstaunen der Name Emil Kostadinov auf der Aufstellung registriert wurde. Niemand weiß genau, wie Beckenbauer auf den notorisch übungsfaulen Bulgaren gekommen war, aber dieser schoß nach fünf Minuten das 1:0 und knapp eine Stunde später das 3:1. Spannend wurde es zwar, aber das hätte nicht not getan, weil sich dem FC Bayern so viele Torgelegenheiten boten, wie es Lothar Matthäus „in einem Spiel noch nicht erlebt“ haben wollte. Daß die zahlreichen Einschußversuche von Jürgen Klinsmann und Christian Ziege nicht annähernd solche Volltreffer waren wie die Hereinnahme Kostadinovs, schien Beckenbauer mit der ihm eigenen Gelassenheit noch hinzunehmen, aber als Ciriaco Sforza, allein aufs Tor zueilend, noch die Ankunft der gegnerischen Verteidiger abwartete, brachte das den Chef in Rage: Empört und mit bedrohlich angeschwollener Stirnader riß Beckenbauer seine Kappe vom Haupt.
Später war Beckenbauer wieder milde gestimmt, freute sich, ein „flottes Spiel“ verantwortet zu haben, und sprach tröstende Worte für Jürgen Klinsmann und sagte, eine Phase der Glücklosigkeit habe jeder Stürmer einmal zu durchleiden. Zudem fehlt seit Alexander Zicklers Verletzung ein geeigneter Offensivpartner für den Schwaben. Das Duett mit Jean- Pierre Papin jedenfalls findet vor Beckenbauer keine Gnade, „nicht so eingespielt“ seien die beiden. „Wir wissen ja, daß der was kann“, sagte Beckenbauer über Kostadinov, „nur wissen wir nicht, wann er es zeigt.“ Und trotz seiner imposanten Vorstellung wird der Bulgare wohl nicht mehr viel Gelegenheit bekommen, seine Fähigkeiten vor Münchner Publikum zu demonstrieren. Er ist nur geliehen vom FC Porto, weitere Verpflichtung unwahrscheinlich.
Gleichwohl sagt Kostadinov, er würde durchaus in München bleiben, was erstaunlich ist, weil er isoliert wirkt in der Mannschaft; nicht nur wegen der Sprachprobleme, sondern hauptsächlich aufgrund der lauen Trainingsmoral. Am Reservistendasein war Kostadinov „selbst schuld“, sagt Mehmet Scholl, aber „er hat seine Chance genutzt“. Vorläufig zumindest. Beckenbauer findet, Kostadinov sei spielerisch besser als Papin, und „daß er zwei Tore schießt“, sagt der Aushilfscoach breit grinsend, „ist natürlich auch Glück“. Oder doch eine Eingebung von ganz oben aus den Wolken?
1. FC Köln: Illgner - Stumpf - Thiam, Baumann - Janßen (55. Braun), Zdebel (32. Polster), Munteanu (67. Andersen), Oliseh, Weiser - Gaißmayer, Kohn
Zuschauer: 63.000 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Kostadinow (5.), 1:1 Matthäus (48./Eigentor), 2:1 Klinsmann (54.), 3:1 Kostadinow (62.), 3:2 Polster (78./Foulelfmeter)
Rote Karte: Baumann (55.) wegen Foulspiel
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