Keine Widerworte

■ Schiedlich-friedlich trennen sich St. Pauli und der HSV mit 1:1. Nachher war FC-Coach Maslo dennoch grantig, weil er seine Autorität untergraben sah Von Clemens Gerlach, Markus Scherf und Stefan Pflug (Fotos)

Die Fans ließen sich in Ruhe, die Spieler schlugen nicht über die Stränge. Es war ein friedliches Derby zwischen St. Pauli und den Gästen vom HSV. Das Ergebnis bot auch keinen Anlaß, sich in die Haare zu kriegen. Der FC hatte insgesamt das bessere Ende für sich, obwohl mancher nach dem 1:1 „zwei verschenkten Punkten“ hinterhertrauerte. Der Klassenerhalt ist fast gesichert, und 51.432 Besucher bescherten dem Aufsteiger mit 1,2 Millionen Mark die höchste Einnahme der Vereinsgeschichte.

Kurzer Prozeß

Widerworte schätzt Uli Maslo nicht. Wer sich nach Ansicht des St.-Pauli-Trainers im Ton vergreift und nicht das nötige Maß an Respekt zeigt, steht beim 57jährigen so schnell auf der Abschußliste, wie er anschließend entsorgt wird. Die Spieler Thorsten Fröhling und Ralf Becker jedenfalls fanden sich nach einem kürzeren Disput mit dem gestrengen Uli, der wie ein Uhlriech wirkt, auf der Tribüne wieder. Dort haben sie seither ihren Stammplatz.

Auch nach dem Derby machte Maslo kurzen Prozeß. Einen Journalisten, der sich beim Übungsleiter mnach der taktisch nicht ganz unumstrittene Hereinnahme von Abwehrspieler Paul Caligiuri erkundigen wollte, wurde vom ehemaligen Sportlehrer kostenlos Nachhilfeunterricht erteilt. „Sie wissen doch selber, wieviele offensive Spieler wir auf dem Platz hatten“, belferte der FC-Coach, „die konnte man doch zählen.“ Stimmt, nachdem Jens Scharping nach einer guten Stunde auf Geheiß von ganz oben – laut St.-Pauli-Fanzine Der Übersteiger hält sich Maslo für „Gott persönlich“ – raus mußte, war es einer weniger. Zwölf Minuten später erzielte Stefan Schnoor das 1:1. Ob es im nachhinein eine kluge Maßnahme gewesen war, soll der erfahrene Coach besser selber entscheiden. Wir wollen uns ja nicht den Zorn von Uli Maslo zuziehen und als Strafarbeit tausendmal schreiben müssen: „Du darfst dem Trainer nicht widersprechen.“

Ein Mann mit Humor

Christian Springer ist ein Mann, der spontanen Humor liebt. Eine Charaktereigenschaft, unter der sein Gegenspieler Andreas Fischer beim Derby kräftig leiden mußte. Immer wieder ließ sich der erfahrene Bundesliga-Spieler vom 24jährigen St. Paulianer vorführen, was Springer, seit kurzem Stammspieler, sichtlich Spaß machte. Drei-, viermal den Ball hochhalten, dann per Rückzieher über den HSVer hinweg – nach dem dritten Trick war Schluß mit lustig: Der entnervte Fischer trat dem gebürtigen Franken in die Beine, wofür ersterer Gelb sah. Da hatte Mister Bean schon wieder etwas zu lachen.

Die Stelle

Jeder Spieler hat seine Lieblingsposition. Stefan Schnoor vom HSV geht sogar noch weiter: Der 25jährige kann genau die Stelle benennen, an sich der er sich am wohlsten fühlt. Dieser ominöse Punkt befindet sich im Strafraum vor der Ostkurve des Volksparkstadions – ungefähr drei Meter hinter der Grenze des 16ers. Dort hat der Abwehspieler in jüngster Zeit seine größten Erfolge erzielt: gegen Gladbach das 2:1, im Derby den Ausgleich nach Stanislawaskis Pausenpfiff-Führungstreffer. Als besondere Leistung wollte Schnoor seine Präzisionsarbeit jedoch nicht gewertet wissen. „Hat ganz gut geklappt“, hütete er sein Erfolgsgeheimnis wie eine Schatzkarte.