: Wenig Hoffnung für Monrovia
■ In Ghana beginnen heute Friedensgespräche zu Liberia. Schon an der Analyse der Kämpfe scheiden sich die Geister
Berlin (taz) – Die Liberia-Friedensgespräche, die heute in Ghanas Hauptstadt Accra beginnen sollen, werden wohl kaum Frieden in Liberia herbeiführen. Zwar gilt in der liberianischen Hauptstadt Monrovia seit gestern mittag erneut eine Waffenruhe, nachdem die von Regierungstruppen belagerten Krahn-Milizionäre am Sonntag erneut aus ihrer Kaserne ausgebrochen waren und eine Spur der Verwüstung durch das Diplomatenviertel bis zu wenigen hundert Metern vor die US-Botschaft gezogen hatten. Aber eine politische Annäherung gibt es deshalb noch lange nicht.
Grundproblem ist, daß es zwei völlig gegensätzliche Sichtweisen der liberianischen Politik gibt. Der einen Analyse zufolge herrscht in Liberia Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Milizen, und die Aufgabe ausländischer Vermittler ist es, die vielen Gruppen gleich zu behandeln. Die andere Sichtweise ist die, daß es seit dem Abuja-Friedensabkommen vom 19. August 1995 eine legitime Staatsmacht in Liberia gibt – die damals gebildete Übergangsregierung, die aus einem Staatsrat und einem Kabinett besteht. Aufgabe der internationalen Begleiter des Liberia-Friedensprozesses ist es dann, diese Regierung zu unterstützen.
Die Wahl einer dieser beiden Sichtweisen hängt natürlich davon ab, ob man der Übergangsregierung angehört oder nicht. Zum Staatsrat gehören die drei Milizenchefs Charles Taylor, Alhaji Kromah und George Boley sowie drei Zivilisten, von denen einer – Wilton Sankawulo – Vorsitzender und damit Interimspräsident Liberias ist. Boley ist derzeit krank und in Ghana. Zur anderen Seite gehört der Krahn-Milizenchef Roosevelt Johnson, den die Regierung vor Gericht stellen möchte.
Verhandlungen mit dem „Terroristen“
Johnson war der letzte Milizenführer Liberias, der das Abuja-Abkommen unterschrieb und der einzige, der sich danach noch Kämpfe mit der westafrikanischen Ecomog-Friedenstruppe leistete, obwohl er zugleich offiziell Agrarminister im Übergangskabinett war. Diese Kämpfe um die Jahreswende kosteten 17 Ecomog-Soldaten das Leben, und nur Ecomog- Truppen hinderten kurz darauf eine wütende Menge in Monrovia daran, Johnsons Haus zu stürmen und ihn umzubringen. Wegen „massiver Zerstörung von Leben und Eigentum“ versuchten seine bisherigen Mitstreiter, Johnson zu feuern. Er verlor seinen Kabinettsposten und die Regierung erließ gegen ihn Haftbefehl wegen Mordes – ein Schritt, den Frauen- und Kirchengruppen als Präzedenzfall begrüßten.
Es war der Versuch der Regierung, diesen Haftbefehl zu vollstrecken, der am 6. April Johnson zum bewaffneten Widerstand trieb und damit die jüngste Kriegsrunde begann. In den Augen der Regierung ist Johnson seither ein „Terrorist“, der die Friedensvereinbarungen gebrochen hat und mit dem nicht zu verhandeln ist. Johnson dagegen sieht sich als ebenbürtiger Rivale des Staatsrats. Indem die USA wünschen, daß Taylor und Kromah mit Johnson reden, geben sie letzterem recht.
Die USA haben Johnson aus Monrovia nach Sierra Leone ausgeflogen, von wo er zu den Gesprächen nach Ghana weitergereist ist. Taylor und Kromah hingegen sagen, nicht sie selbst, sondern Staatsratsvorsitzender Sankawulo werde als Vertreter der Interimsregierung nach Ghana kommen. Formal ist das korrekt, weil das Abuja-Abkommen von 1995 die Milizenchefs den kollektiven Institutionen unterwirft. Die USA haben aber angedroht, Nichtteilnehmer an den Ghana-Gesprächen mit Einreiseverbot in die Vereinigten Staaten zu belegen.
Zumindest die Bevölkerung Monrovias weiß, daß sie von alldem nichts Gutes zu erwarten hat. Zu Tausenden hat sie sich im Hafen versammelt, in der Hoffnung auf Ausreise. 2.500 befinden sich bereits auf einem völlig überfüllten Schiff unterwegs nach Ghana. Wie sicher solche Fluchtwege sind, zeigte sich gestern, als der Tod von 86 Menschen beim Kentern eines Bootes vor der Küste des Nachbarstaates Sierra Leone bekannt wurde. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen