: Castor fährt Blockaden entgegen
Weiter Grabungen und Festnahmen an Castor-Schienen. Grüne geben Passierscheine fürs Wendland aus. Verwaltungsgericht hebt Demonstrationsverbot des vergangenen Jahres auf ■ Aus Dannenberg Jürgen Voges
Gestern sollte er in der Normandie starten und heute wird der erste Gorleben-Castor mit Wiederaufarbeitungsmüll aus Frankreich die deutsch- französische Grenze passieren. Auch die Voranmeldungen des Bundesinnenministeriums, die inzwischen für den Atomtransport bei den Ländern eingegangen sind, bestätigen den bisherigen Zeitplan, nach dem dieser zweite Transport mit hochradioaktivem Müll am Mittwoch im wendländischen Dannenberg von der Schiene auf die Straße umgeladen werden soll.
Dort ließen die Protestaktionen auch gestern die Polizei nicht zur Ruhe kommen: Die einen, meist junge Leute, machen sich nachts an den beiden Bahnstrecken zu schaffen, über die der Transport die Castor- Umladestation in Dannenberg erreichen muß.
Vor allem Gruppen der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg protestieren noch einmal auf der Straße: Zu Mahnwachen mit Kerzen und Widerstandsliedern versammelten sich BI-Gruppen gestern auf den Marktplätzen von Dannenberg und Lüchow. Schon vorher hatten die BI-Senioren, die Initiative 60, noch einmal öffentlich „den Tod gestrickt“.
Auch die Landtagsfraktion der niedersächsischen Grünen beteiligte sich gestern mehrheitlich an den Blockaden rund um Dannenberg und hatte zuvor selbstgefertigte Passierscheine verteilt, die den Bewohnern des Landkreises noch einmal das Recht auf Freizügigkeit sichern.
Die Grünen-Passierscheine sollen die Anwohner der Castor- Transportstrecke der Polizei präsentieren, wenn sie wegen der geplanten umfangreichen Absperrungen für den Transport öffentliche Straßen mit ihren Fahrzeugen nicht mehr benutzen dürfen. Die Polizei selbst hatte solche Passierscheine nur an Firmen aus dem Landkreis ausgegeben. Inzwischen zweifelt sie aber selbst an der Rechtmäßigkeit dieser Passierscheinregelung. Die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Andrea Hoops, sprach gestern von einem erneuten „polizeilichen Ausnahmezustand“ im Landkreis Lüchow-Dannenberg, mit dem sich die niedersächsische Landesregierung zum Handlanger von Bundesregierung und Atomindustrie mache.
Schon in der Nacht zum Sonntag hatte die Polizei in der Nähe von Neetzendorf im Zusammenhang mit Wühlaktionen an der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg erneut rund 80 Jugendliche Castor-Gegner festgenommen. Angeblich stehen sie alle im Verdacht, den Landfrieden gebrochen zu haben.
Trotz des schweren Vorwurfs kamen die Castor-Gegner, nachdem sie einen Großteil der Nacht gefesselt in einem Gefangenentransporter verbracht hatten, am Montag wieder frei.
Vor dem Verwaltungsgericht LÜneburg erzielte die BI Lüchow- Dannenberg gestern erneut einen Erfolg. Auch das pauschale Demonstrationsverbot, das beim ersten Castor-Transport galt, erklärten die Lüneburger Verwaltungsrichter im Nachhinein für rechtswidrig.
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