: Parlament ohne Ehre
■ Letzte SPD-Widerworte gegen die Abschaffung des ehrenamtlichen Mandats
Ein letztes Mal haderten am Montag abend SozialdemokratInnen in der Fraktionssitzung mit ihrem Gewissen und dem verfassungsrechtlich garantierten ehrenamtlichen Mandat: Heute wird die Bürgerschaft die Abschaffung der Ehrenamtlichkeit beschließen. War bisher in Artikel 13 der Hamburger Verfassung festgelegt, daß Volksvertreter für Ruhm und Ehre in der Bürgerschaft sitzen, soll nun die Aufwandsentschädigung erhöht, eine Einschränkung der Berufstätigkeit ermöglicht und die Ehrenamtlichkeit gestrichen werden.
Die CDU hatte dem Kompromiß nur zugestimmt, weil die Bürgerschaft zeitlich auch weiterhin ein Feierabendparlament bleibt. Der GAL und vielen SPDlerInnen ging er nicht weit genug. Doch für nicht wenige Rote ist auch die halbherzige Abschaffung der Hamburgensie eine bittere Pille. Nach heftigen und länglichen Diskussionen testete die SPD-Fraktion am Montag in Probeabstimmungen, wieviele Abweichler aus den eigenen Reihen es wohl heute gegen wird. Von 40 Anwesenden waren es immerhin noch zehn SPDlerInnen, die Widerworte gaben – dazu zählte auch der ehemalige Fraktionsvorsitzende Günter Elste. Doch nur etwa fünf wollen auch tatsächlich gegen das erste Bündel der Verfassungsreform stimmen.
„Mir sind nur fünf Minuten Redezeit von der Fraktion zugebilligt worden“, so der Wortführer der Abschaffungsgegner, Paul Busse, der die Gegenrede zum Parteikollegen Jan Ehlers hält. Alle Nachteile könne man in so kurzer Zeit nicht aufzählen. Bald würden berufstätige Abgeordnete Exoten sein, und das sei von Grund auf schlecht: VollzeitpolitikerInnen verlören die Bodenhaftung, den Blick fürs ganz normale Leben und gerieten in Abhängigkeit zum Mandat. Das Argument, man könne sich neben Beruf und Mandat um die „normalen“ BürgerInnen nicht mehr kümmern – von Familienleben und außerparlamentarischer Arbeit ganz zu schweigen – läßt Busse nicht gelten.
Eine Illusion sei es zudem, daß ein Profiparlament die Regierung besser kontrollieren könne – das zeige die Erfahrung. Ein „Sündenfall“ sei die heutige Entscheidung, denn „sie ist nicht rückgängig zu machen“. Ändern können Busse & Friends an der Abschaffung der Ehrenamtlichkeit nichts mehr. Widerworte sind jetzt nur noch eine Frage der Ehre. Busse: „Ich bin nicht verbittert. Ich hatte ohnehin nicht vor, noch einmal zu kandidieren.“
Silke Mertins
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