: SS-Mann Priebke hält Partisanen für schuldig am Nazi-Massaker
■ Heute beginnt in Rom der Prozeß gegen den ehemaligen SS-Offizier Priebke wegen Beteiligung an 335fachem Mord
Rom (AFP) – Wegen seiner Beteiligung an einem der schlimmsten Nazi-Kriegsverbrechen in Italien muß sich der ehemalige SS-Offizier Erich Priebke von heute an vor dem italienischen Militärgerichtshof in Rom verantworten. Die Anklage wirft dem 82jährigen vor, „an mehrfachen grausamen Morden an italienischen Staatsbürgern“ beteiligt gewesen zu sein. Die Tat liegt 52 Jahre zurück: Am 24. März 1944 erschossen die Deutschen in den Ardeatinischen Höhlen vor den Toren der italienischen Hauptstadt bei einer Vergeltungsaktion nach einem Anschlag italienischer Partisanen 335 Gefangene, darunter 75 Juden.
Die Verurteilten wurden in Gruppen zu fünf mit den Händen auf den Rücken gebunden in die Höhlen geführt. Am Eingang wurden sie von Priebke gezählt und namentlich erfaßt. Im Innern der Grotte wurde anschließend jeder Gefangene mit einem Nackenschuß ermordet. Da sich die Toten bald stapelten, mußten die nachkommenden Gefangenen auf ihre Leidensgenossen steigen, ehe auch sie erschossen wurden.
Mehr als vier Jahrzehnte lang blieb Priebke unbehelligt. Nach dem Krieg entkam er aus britischer Gefangenschaft und tauchte – wie Hunderte ehemaliger Nazis – in Argentinien unter, wo er ein ruhiges und ungestörtes Leben führte. Vor allem in der deutschen Gemeinde in seinem südargentinischen Wohnort San Carlos de Bariloche war er ein geachteter Bürger. Dieses beschauliche Dasein endete abrupt, als 1994 ein US- Fernsehjournalist Priebke aufspürte und damit die Strafverfolgung ins Rollen brachte. Die argentinische Justiz schob Priebke nach langem Hin und Her nach Italien ab, wo er seit dem 21. November vergangenen Jahres im römischen Militärgefängnis Forte Boccea auf seinen Prozeß wartet.
Priebke: „Die Anordnung kam direkt vom Führer“
Priebkes genaue Rolle bei den Exekutionen in den „Fosse Ardeatine“ ist ungeklärt. Der frühere SS- Hauptsturmführer streitet die Teilnahme an den Erschießungen nicht ab. In Interviews gestand er, eigenhändig ein oder zwei Gefangene erschossen zu haben. Bei den Anhörungen, die seiner Hauptverhandlung vorausgingen, wies er jedoch jegliche Verantwortung für die Massenerschießungen von sich.
„Die wahren Verantwortlichen für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen sind diejenigen, die auch für das Attentat auf der Via Rasella verantwortlich sind“, bezichtigte Priebke in einem seiner Verhöre die damaligen italienischen Widerstandskämpfer. Diese hatten den Deutschen durch einen Anschlag auf SS-Männer am Vortag den Vorwand für die grausame Vergeltungsaktion gegeben.
„Wenn die 33 deutschen Soldaten nicht getötet worden wären, hätte es keine Vergeltungsaktion gegeben. Die Anordnung dazu kam aus Deutschland, direkt vom Führer. Wenn ich nicht den Befehl ausgeführt hätte, wäre ich selbst umgebracht worden“, verteidigte sich Priebke vor den italienischen Ermittlern.
Die Hinrichtung der 335 Zivilisten hatte Priebkes Vorgesetzter angeordnet, Obersturmbannführer Herbert Kappler. Vorgesehen war, daß für jeden aus dem Hinterhalt getöteten Soldaten zehn politische Gefangene erschossen wurden. Kappler wurde 1948 in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die römische Militärstaatsanwaltschaft wird unter ihren Zeugen einen früheren deutschen Soldaten vorladen, der das Massaker an jenem 23. März 1994 miterlebte. Dieser Zeuge könnte Aufschluß darüber geben, ob Priebke ein schlichter Befehlsempfänger oder ein eifriger Massenmörder war.
Als Nebenkläger wurden Organisationen von Opferfamilien und Widerstandskämpfern, die Jüdische Gemeinde sowie die Stadt und die Provinz Rom zugelassen. Eine getrennte Klage vor einem Zivilgericht wurde jedoch nicht angenommen, da der Zivilrichter das Verbrechen als rein militärische Straftat wertete.
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