: Diener zweier Herren
■ Die Anklage gegen Lauck beruht auch auf den Berichten von Peter Schulz (23), der fünf Jahre als V-Mann des Verfassungsschutzes in der militanten Neonazi-Szene aktiv war
Als Peter Schulz mit 17 Jahren aus der militanten Neonazi-Szene aussteigen wollte, überredeten ihn zwei Herren vom NRW-Verfassungsschutz, weiterzumachen. Als V-Mann „Fraga“ gründete er das „Heimatschutzkorps Ostwestfalen- Lippe“, eine Wehrsportgruppe. Der mittlerweile abgeschaltete Agent lebt gefährlich. In der Nacht zum Mittwoch wurde auf sein Haus ein Anschlag verübt, es brannte bis auf die Grundmauern ab. Zufall, daß er nicht zu Hause war. Er gab gerade der taz das Interview.
taz: Sie haben Lauck 1990 kennengelernt. War er damals der Mann von großem Charisma, als der er immer dargestellt wird?
Schulz: An diesem Tag war er eher durchschnittlich, nicht der Typ, zu dem man aufgucken konnte.
Trotzdem kam er bei Ihnen an. Sie wurden Mitglied in der NSDAP/AO und zahlten monatlich 20 Dollar Beitrag.
Ich mußte mich erst anderthalb Jahre bewähren, immer schön Briefe an Lauck schreiben, mich für den NS Kampfruf bedanken, ein älterer Freund bürgte für mich – alles Dinge, die mich als zuverlässiges Mitglied auswiesen, bevor ich den weißen Parteiausweis mit goldenem Parteiabzeichen bekam. Ich war „Party Officer“.
Von nun an schwoll die Brust?
Man fühlt sich wichtig. Der Parteiausweis zeichnet dich als Mitglied einer gegen die Bundesrepubik gerichteten Organisation aus, bei der alle absolut rot sehen, wenn der Name fällt. Jetzt weißt du, du bist ein Untergrundkämpfer im feindlich besetzten Rumpfdeutschland. Für die NSDAP/AO sind wir nämlich heute noch fremdbeherrscht.
Welche von Laucks Schriften inspirierte Sie am meisten?
Die Anleitungen, wie sich eine Zelle zu verhalten hat, wie sich jedes einzelne Parteimitglied zu benehmen hat. Ich wurde angespornt, mir alle Mühe zu geben, in diesem feindlichen Deutschland alles dafür zu tun, es in einen wunderschönen Hakenkreuzgarten zu verwandeln. Mit unseren Aufklebern haben wir auch demonstriert, daß die Bewegung nicht tot ist, daß sie immer existiert.
Aber ein großer Teil der Neonazi-Szene hat doch laut über die stramme Hitlerverehrung und die großdeutschen Träume einer Gebietserweiterung nach Osten gelacht.
Die NSDAP/AO hat immer dazu aufgerufen, Mitglied in legalen Parteien zu werden. Ich war bei den Reps, dann bei der NPD. Ich kenne hier in Westfalen mindestens eine Handvoll führende Reps und NPDler, die zumindest Förderer der NSDAP/AO sind.
Was macht sie gefährlich?
Daß der Staat sie so ernst nimmt. Daß er diesen enormen Aufwand betreibt, um die Post aus den USA abzufangen.
Sie meinen, die Bundesrepublik soll Schriften zulassen, in denen der Holocaust geleugnet wird?
Nein, sicherlich kann man das nicht dulden. Aber die Art und Weise, wie man Lauck verfolgt, geht nicht. Ich wurde von der Bundesanwaltschaft aufgefordert, auszusagen. In dem Schreiben steht, es gehe um Lauck, den „Leiter und Führer der NSDAP/AO“. Der Staat betitelt ihn so! So wird die NSDAP/AO offiziell anerkannt. Man akzeptiert sie als Organisation – wenn auch eine in Deutschland verbotene. Der Neonazi- Szene ist klar: Mit einem Riesenaufwand wird dem Lauck in Deutschland der Prozeß gemacht, dabei ist er ein Mann, der in den USA Nazibildchen verkauft, was dort nicht verboten ist.
Er leitete von den USA aus hier die Wehrsportler an.
Sicher. Wir haben ihm freiwillig Rechenschaftsberichte abgeliefert, auch meine alte Wittenberger Kameradschaft, genauso wie eine Gruppierung in Baden-Württemberg. Aber jede Gruppe blieb für sich.
Keine gemeinsamen Wehrsporttage?
Nein, Lauck setzt auf unabhängig voneinander operierende Zellen.
Auch keine Tips für Wehrsportübungen?
Vor drei Jahren, da kam aus seinem Haus mal eine Anweisung, wie wir uns zu kleiden hätten: SS- Tarnjacken, Koppelzeug, schwarze Kampfstiefel. Lauck schrieb, er wolle gleiche Wehrwolfkader haben. Danach schrieb Karl Hammer, der sich als 1. Generalsekretär der NSDAP/AO bezeichnete, wir müßten uns jetzt in Fernbekämpfung üben. Die Parole hieß: „Partisanen- und Guerillakrieg“. Also übten wir, aus dem Hinterhalt zu schießen und aus der Deckung zuzuschlagen. Dann hieß es, wir sollten uns einheitliche halbautomatische Waffen zulegen. Lauck sagte, einheitliche Waffen erhöhten die Kampf- und Schlagkraft.
Und wie reagierten Sie auf die Anweisungen?
Alle drei Wochen rapportierte ich ihm. Erzählte, welche Wochenendfahrten wir gemacht haben, schickte Ausschnitte aus Zeitungen, besprach Dinge aus der Wehrsportgruppe.
Schickten Sie Fotos von den anderen Kameraden?
Ja, und ich schrieb jeweils eine Beurteilung dazu, wie intelligent er ist, welche Probleme er beim Sport hat, richtige kleine Psychogramme waren das. Der Verfassungsschutz bekam dann eine Kopie.
Wenn V-Mann „Fraga“ dem Gericht raten könnte, was sollte mit Lauck geschehen?
Laufenlassen geht ja nicht. Der Staat muß den falschen Weg, den er eingeschlagen hat, weitergehen. Interview: Annette Rogalla
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