: Jeden Morgen geht die Sonne auf Von Fanny Müller
Männer können einem ja sonstwas erzählen. Meine Freundin Annemarie war mal mit einem Makler zusammen, der behauptete, er sei Fliesenleger. Sonst hätte sie ihn wohl auch nicht genommen. Ein Meister seines Fachs war er ja nicht gerade – Sie hätten mal ihr Bad sehen sollen, als er es gekachelt hatte. Da wußte sie natürlich Bescheid. Er lief ihr mit einer Werbetorte davon, was eine mehr als gerechte Strafe für ihn war.
Weniger hart traf es eine andere Freundin von mir, die einen Herrn liebte, der von Beruf Rauschgifthändler (bloß Haschisch) war. Sie wußte es zuerst nicht, aber dafür gab es immer erstklassiges Dope, und das söhnte sie dann auch mit seiner Matte und der Rockerkluft und der lauten Musik aus. Leider fuhr er ein; seitdem hält sie sich wieder an Rotwein und Zigaretten. Als Frau ist man den verschwiegenen Hobbys der Männer ja hilflos ausgeliefert. Es gibt natürlich auch positive Fälle. Ich denke da an Jackie Kennedy, die einen netten, kleinen, älteren Herrn heiratete. Und was stellt sich heraus? Er ist Multimillionär! Das gleiche ist Sophia Loren passiert. Deshalb nenne ich so was auch das Ponti- Syndrom. Leider ist diese Erkrankung bei mir noch nie aufgetreten. Manchmal dauert es auch länger, bis man herauskriegt, was wirklich los ist. Da ehelicht man beispielsweise einen Herrn mit einem x-beliebigen Beruf – meistens einen Juristen – und ist dann auf einmal ein paar Jahre später Bürgermeistersgattin. Das ist ja den beiden ersten Frauen von Herrn Klose und Herrn von Dohnanyi passiert, zwei sehr respektablen Damen. Die haben aber noch Glück gehabt, denn die Herren ließen sich scheiden und heirateten in zweiter Ehe Frauen, die sie dann wirklich verdient haben. Es kann auch vorkommen, daß einen die Männer über ihre Steckenpferde vorher informieren. Das ist allerdings auch keine Garantie für ungetrübtes Glück. Ich war mal mit einem Herrn liiert, der mich wissen ließ, daß er zu seiner geschiedenen Frau eine weiterhin freundschaftliche Beziehung unterhalte. Warum auch nicht? Aufgeschlossene, erwachsene Menschen können auch anders als durch Hauen und Stechen miteinander kommunizieren. Als sich herausstellte, daß diese Beziehung darin bestand, daß er einmal in der Woche mit ihr essen gehen mußte, alle kirchlichen und weltlichen Festtage mit ihr verbrachte, ihre Balkonpflanzen umtopfte, ihre Teppiche verlegte und mit ihr in Urlaub fuhr – nun, da wehte mich doch ein leises Mißtrauen an, ob ich für ein solches Verhältnis bereits die nötige Reife hätte. Hatte ich nicht. Umgekehrt sind wir Frauen auch keine Unschuldslämmer. Mein Hobby beispielsweise ist der Haushalt. Das aber habe ich bisher noch jedem Herrn, der diesen Haushalt frequentiert hat, verschwiegen. Damit werden Mißverständnissen natürlich Tür und Tor geöffnet. Keiner hat bisher kapiert, wieso ich davon ausgehe, daß eine leere Klopapierrolle durch eine neue Rolle (die direkt daneben liegt) ersetzt werden kann, auch von Besuchern. Und unwillkürlich greife ich nach einem stumpfen Gegenstand, wenn ich sehe, wie ein Besucher sich in meiner Küche die Fußnägel schneidet. „Hättest du doch was gesagt!“ bekomme ich dann zu hören. Aber das kann ich genausowenig, wie ich jemandem mitteilen könnte: „Morgens geht die Sonne auf, und abends geht sie unter.“
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