: Mein Recht ist dein Recht
Letztes Wochenende erhielt ich eine E-Mail von der Waterkant. Sie ging wohl an viele Empfänger, und ich wurde darin aufgefordert, die Einrichtung einer neuen Usenet-Newsgroup mit dem Namen „rec.music.whitepower“ zu erschweren, indem ich mit einer Mail an den zuständigen Wahlleiter gegen diese Newsgroup stimme.
Was ist passiert? George Burdi, „Führer“ der amerikanischen neonationalistischen „Heritage Front“ und einer der lautesten Schreihälse der nordamerikanischen Neonaziszene hat diese Newsgroup, in der über „White Power Music“ diskutiert werden soll, initiiert. Er hat einen RfD- Text (Request for Discussion) verfaßt und ins Netz gestellt und schließlich einen CfQ (Call for Quote) erreicht, in dem alle aufgefordert sind, der Einrichtung dieser Newsgroup per E-Mail zuzustimmen – oder sie abzulehnen. Das ist Burdis gutes Recht, auch wenn es verdächtig nach Rassismus riecht. Jeder, der sich an ein paar Regeln und Verfahren hält, kann im Usenet (das allen World Wide Wahnsinnigen zum Trotz den wichtigsten, weil lebendigsten Teil des Internet ausmacht) eine neue Diskussionsrunde zu jedem x-beliebigen Thema anmelden und eröffnen.
Aber obwohl das hochdemokratisch aussieht: Kein News-Ser
ver ist verpflichtet, diese Diskussion auch den Usern zur Verfügung zu stellen. Das ist genau der Punkt, an dem Zensur beginnt und an dem sich Groß-Provider mit eigenem News-Server wie T-Online oder CompuServe als Saubermänner aufspielen. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob ich Burdis Newsgroup wirklich ablehnen soll. Wenn ich für mich das Recht in Anspruch nehme, im Internet zu tun, zu lassen und zu schreiben, was ich will, muß ich dieses Recht auch anderen zugestehen – selbst wenn es sich dabei um Neonazis handelt.
Noch vor einem halben Jahr hätte ich anders darüber nachgedacht und dagegen gestimmt. Inzwischen versuchen aber andere, mir das Denken abzunehmen, und entscheiden, was gut für mich ist und was nicht: deutsche Staatsanwälte und amerikanische Politiker. Ich werde den Teufel tun und schon im Vorfeld Zensur ausüben, indem ich mit Nein stimme – auch wenn sich selbst fortschrittlich gesinnte Zeitgenossen bei den Reizwörtern „Pornographie“ und „Neonazis“ mehrheitlich für eine Zensur im Internet aussprechen. Nee Jungs, das ist ein Sisyphus-Job, den ihr euch selbst aufgehalst habt. Nun macht ihn auch selbst. Wer anderer Meinung ist, kann ja eine Mail an music-vote @sub-rosa.com schicken und mit „I vote NO on rec.music.whitepower“ dagegen stimmen.
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