: Diktator mit langem Arm
■ Indonesischer Regimekritiker für Vortrag in Berlin in Jakarta verurteilt
Bangkok (taz) – Weil er Indonesiens Präsidenten Suharto vor einem Jahr bei einem Vortrag an der Technischen Universität Berlin verleumdet haben soll, muß Sri Bintang Pamungkas jetzt ins Gefängnis. Ein Gericht in Jakarta verurteilte den indonesischen Wirtschaftswissenschaftler und Oppositionspolitiker gestern zu 34 Monaten Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte Sri Bintang vorgeworfen, bei Vorträgen vor indonesischen Studenten im April 1995 das Wort „Diktator“ im Zusammenhang mit dem Präsidenten verwandt zu haben, der zur gleichen Zeit zur Hannovermesse nach Deutschland gekommen war.
Bei Suhartos Besuch war es in mehreren deutschen Städten zu Protesten gegen die indonesische Regierungspolitik und die anhaltende Besetzung Osttimors gekommen. Als „Drahtzieher“ machten die indonesischen Behörden unter anderem Sri Bintang aus. Da dieser aber nachweislich an keiner Demonstration gegen Suharto teilgenommen hatte und auch nicht an der Organisation beteiligt war, mußte die Staatsanwaltschaft diese Beschuldigung fallenlassen. Sri Bintang, der Berufung angekündigt hat, ist den indonesischen Behörden schon länger ein Dorn im Auge.
Anfang vergangenen Jahres war der ehemalige Oppositionsabgeordnete aus dem Parlament ausgeschlossen worden, weil er die Wirtschaftspolitik der Regierung heftig kritisiert hatte.
Sri Bintang will nicht aufgeben: Nach Informationen indonesischer Menschenrechtsgruppen will er Verleumdungsklage gegen den indonesischen Botschafter in Bonn einreichen, weil dieser in einem Brief an einen deutschen Abgeordneten behauptet hatte, Sri Bintang sei angeklagt, weil er über die „Möglichkeit einer Revolution“ in Indonesien gesprochen habe.
Indonesische BürgerrechtlerInnen fürchten eine weitere Verschärfung des Klimas im Vorfeld der Parlamentswahlen im kommenden Jahr. Vor wenigen Wochen wurde das Büro des Rechtshilfeforums in der Stadt Medan, das die Gründung einer unabhängigen Wahlbeobachterkommission angekündigt hat, von steinewerfenden Jugendlichen angegriffen. Am Tag darauf brannte es aus. Das Rechtshilfeforum hatte sich für verfolgte Gewerkschaftler und Journalisten eingesetzt. Jutta Lietsch
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