: Abschied durch die kalte Küche
■ Boris Becker scheidet am Rothenbaum gegen Schaller im Achtelfinale aus. Wer soll dem Turnier nun den Glamour einhauchen? Alle Deutschen draußen
Schnell war Boris Becker vom Centre Court verschwunden. Für eine Verbeugung vor dem Publikum wie nach dem Sieg über Emilio Alvarez noch hatte der Monte Leimener keine Zeit – und auch keinen Grund: Für was sollte sich der Weltranglisten-Fünfte auch bedanken? Dafür, daß die 7 500 Zuschauer den in Hamburg an Nummer eins Gesetzten nach dessen Zweisatz-Debakel gegen Gilbert Schaller nicht ausgepfiffen und statt dessen seine Späßchen während des Spiels wie Almosen aufgegriffen hatten?
Am Mittwoch noch hatte Becker davon gesprochen, endlich ein Sandplatzturnier gewinnen zu wollen, gestern war nichts davon zu spüren, die „letzte Herausforderung“ auch wirklich anzunehmen. „Für Serve-and-Volley-Spieler waren das heute die schlechtesten Bedingungen, die man sich vorstellen kann“, haderte der 28jährige mit dem Wetter, „das waren heute völlig andere Bedingungen, fast wie ein anderes Turnier.“ Über seine eigene Leistung äußerte sich der Weltranglisten-Fünfte nicht.
Dafür beschäftigte sich der Unterlegene, „der heute keine Bäume ausreißen konnte“, um so intensiver mit der seines Kontrahenten, den er vorher noch als „unbeschriebenes Blatt“ bezeichnet hatte. „Das war heute das perfekte Match von Gilbert, und er hat verdient gewonnen“, versuchte Becker die Pleite gegen den Weltranglisten-32. als unvermeidlich darzustellen. Vor dem Match hatte er noch getönt, über „Mittel und Wege“ zu verfügen, den Österreicher zu schlagen.
Vermutlich war auch dies nur Kalkül – wie sein ganzer Auftritt beim 2,2 Millionen Dollar-Event, das ohne seinen einzigen Star nun erst recht zu einer mittelmäßigen Veranstaltung zu verkommen droht. Die Gerüchte jedenfalls, die schon seit Anfang der Woche am Rothenbaum kursierten, erhielten durch Beckers frühes Ausscheiden eine fast schon amtliche Bestätigung. Er habe bereits vor Turnierbeginn den Rückflug für Donnerstag abend gebucht, hatte es immer wieder geheißen. Und: Becker spielt nur, weil dies sein Millionen-Kontrakt mit dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) fordert.
Gerne würde es der DTB sehen, wenn auch Bum-Bum-Becker die vertraglich geregelten Gegenleistungen erbringen würde. Vermutlich wird dies nie mehr in Hamburg geschehen, wo Becker seit 1992 nicht über das Achtelfinale hinausgekommen ist. Wie hatte BB doch über die Hansestadt geurteilt. „Wimbledon ist mein Wohnzimmer, Hamburg die Küche“. Keine Frage, wo sich Becker lieber aufhält. Clemens Gerlach
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