Die arbeitende Klasse steht auf

■ Rote Fahnen gegen die „soziale Abrißbirne“ aus Bonn

Ein Hauch von Klassenkampf lag gestern über dem Marktplatz. Rund 6.000 ArbeitnehmerInnen, RentnerInnen und Arbeitslose waren dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur Demonstration gegen den geplanten Sozialabbau der Bundesregierung gefolgt. Durch die wogende Menge der roten Fahnen begrüßte DGB-Kreisvorsitzende Helga Ziegert die Delegationen aus den verschiedenen Unternehmen und Gewerkschaftsverbänden. „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“, schmetterte ein Arbeiter-Chor von der Bühne.

Kämpferischer noch ruft Ursula Engelen-Kefer vom Podium: „Die Arbeitnehmer erwirtschaften fette Gewinne für die Unternehmer, die dann auf den internationalen Finanzmärkten verschwinden“. Wenn sich daran und an der Bonner Politik nichts ändere, „gibt es soziale Konflikte, die sich gewaschen haben“, droht die stellvertretende DGB-Vorsitzende. Den geballten Unmut der arbeitenden Klassen wollten auch PDS und der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD nutzen und verteilen ihre Pamphlete.

„So geht das nicht weiter“, sagt ein Arbeiter von Mercedes Benz. Ihm werde das Kindergeld gestrichen und die Politiker schmeißen das Geld zum Fenster raus. „Sollen die doch bei den Atomwissenschaftlern sparen“, sagt ein Kollege. Gerade hätten sie wieder 50 Millionen in Gorleben vergeudet.

„Wir dürfen das, wofür wir jahrelang gekämpft haben, nicht kampflos aufgeben“, sagt eine Arbeiterin der Bremer Werkzeug und Maschinenbau GmbH. Jahrzehnte habe sie sich die Gesundheit für den Autozulieferer ruiniert, nun wolle man ihr die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall streichen. „Aber ihn interessiert das nicht“, sagt die Frau ehrfürchtig über Helmut Kohl. „Das belächelt er“.

Angst um ihren Arbeitsplatz und ihre Tarifrechte haben auch die Müllarbeiter der Bremer Entsorgungs Betriebe. Die Furcht vor verlorenen Pfründen schürt Vorurteile: „Den Asylanten schieben sie alles vorn und hinten rein“, sagt einer. Eine Frechheit sei es, daß nur noch Polen und Russen eingestellt werden und Deutsche auf der Straße stehen.

Allen ArbeitnehmerInnen opferten für die Kundgebung ihre Freizeit. Die Unternehmensverbände im Lande Bremen hatten ihren rund 300 Mitgliedsfirmen empfohlen, den demonstrierenden Arbeitern die Zeit vom Lohn abzuziehen. Mercedes Benz hatte gar mit Abmahnungen gedroht und angekündigt, die arbeitswilligen MitarbeiterInnen ohne Lohn nach hause zu schicken. Immerhin seien gestern knapp 250 Autos weniger vom Band in Sebaldsbrück gelaufen als an anderen Tagen.

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