Das Portrait
: Rationalist

■ Luciano Violante

Er gehört zu jenen, die ihre Feinde zur Weißglut bringen, ohne daß sie auch nur ein Wort sagen – seine ruhige Art zu reden, seine präzise Art, seine kompromißlose Argumentation zwingen jeden in ein enges Korsett rein rationaler Begegnung. Selbst seine Freunde werden mit ihm persönlich meist nicht richtig warm. Der 1941 in Äthiopien geborene Luciano Violante, nun im vierten Wahlgang zum Präsidenten des italienischen Abgeordnetenhauses gewählt, bewies in den siebziger Jahren als Ermittlungsrichter eine oft als grausam empfundene Härte gegenüber mutmaßlichen Linksterroristen – doch er war auch der erste, der genauso massiv gegen den Rechtsterrorismus und die damals aus dem Boden sprießenden Putschzirkel ermittelte.

Legendär, wie er den Chef des militärischen Geheimdienstes, Vito Miceli, als Zeugen vorlud – und ihn, als dieser sich in Widersprüche über subversive Bewegungen verwickelte, verhaften ließ. Nur die Tatsache, daß die Neofaschisten Miceli ins Parlament hievten, entzogen den Dunkelmann dem gerichtlichen Verfahren. Doch Violante ließ nicht locker: Er verklagte den gesamten Ministerrat, als dieser über die Putschgeschichten das Staatsgeheimnis breitete – und gewann, acht Jahre später, vor dem Verfassungsgericht.

Luciano Violante, Präsident des italienischen Abgeordnetenhauses Foto: Andreas Schoelzel

Inzwischen war Violante längst Abgeordneter. Zunächst auf der Liste der Kommunisten, heute auf der der Linksdemokraten, gehört er dem Abgeordnetenhaus seit 1979 an. 1992 wurde er Vorsitzender der Anti-Mafia- Kommission und brachte diese erst wirklich auf Touren. 1994, kurz vor den Wahlen, trat er zurück, nachdem ihn ein – mittlerweile als gefälscht erwiesenes – Interview in den Verdacht des Verrats von Ermittlungsgeheimnissen gebracht hatte. Mit großer Mehrheit wiedergewählt, wurde er nun Präsident des Abgeordnetenhauses. Im Gegensatz zu dem am Vortag gewählten Senatspräsidenten Nicola Mancino, gegen den es eine Reihe Verdächtigungen aus seiner Zeit als Innenminister gab, war Violante nie in Skandale verwickelt. So nötigte er am Ende gar der äußersten Rechten, die zuvor „Erzkommunisten“ verunglimpft hatte, mit seiner Antrittsrede großen Respekt ab. Stehend klatschten alle Abgeordneten Beifall – mit Ausnahme jener von der Liga Nord, deren Sezessionismus Violante gleich mal das „unbeugsame Nein dieses Hauses“ angekündigt hatte. Werner Raith