: Für die Banken ist nicht jeder eines Kontos würdig
■ Sozialhilfeempfänger und verschuldete Menschen bekommen meistens kein Bankkonto. Ein gesetzliches Recht auf ein Konto läßt auf sich warten
Wenn die Schufa-Auskunft negativ ist, lösen wir das Girokonto wieder auf, das sage ich Ihnen gleich.“ Die Kundenberaterin der Celler Volksbank würde Peter Bohne am liebsten gleich weiter zur Konkurrenz schicken. Der 39jährige hat nämlich Schulden, lebt von Sozialhilfe und war bis vor kurzem obdachlos.
Weil ihm vor Jahren sein Konto gekündigt wurde, muß Bohne seine Sozialhilfe bei der Ambulanten Hilfe abholen, die Obdachlose betreut. Bohne ist einer von rund einer halben Million Menschen, bei denen Banken und Sparkassen bis zum vergangenen Herbst die Eröffnung eines Kontos ablehnten. Seitdem gibt es eine Empfehlung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes an seine Mitglieder, für alle Interessenten ein Girokonto einzurichten. Mit dieser Empfehlung, die nicht für Privatbanken gilt, kamen die Sparkassen einer gesetzlichen Verpflichtung für ein „Girokonto für jedermann“ zuvor. Geändert hat sich dadurch kaum etwas.
„Es werden nach wie vor viele Menschen nach einer negativen Schufa-Auskunft abgewiesen“, sagt Rechtsanwalt Hugo Grote von der Verbraucherzentrale in Düsseldorf. „Ein verschuldeter Interessent hat alleine kaum eine Chance. Mit unserer Hilfe klappt es zumeist, ein Girokonto auf Guthabenbasis einzurichten“, berichtet Verbraucherberaterin Hannelore Hapke aus Hannover. Ein Konto, das nicht überzogen werden kann – häufig wird dies mit dem Hinweis auf „organisatorische Gründe“ verwehrt.
22.000 Zweigstellen der Sparkassen- und Genossenschaftsbanken gibt es in Deutschland. Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG-SB) in Kassel haben sich bislang lediglich acht Kreditinstitute öffentlich bereit erklärt, ein „Girokonto für jedermann“ einzurichten. Auch sie können nach wie vor von heute auf morgen Konten kündigen, etwa wenn bei dem Kunden gepfändet wird. „Bei überschuldeten Haushalten sind Kontenpfändungen niemals völlig auszuschließen“, sagt BAG-SB-Juristin Bernadette Köper. Sie hält die Schlupflöcher für die Kreditinstitute für zu groß. Ein entsprechender Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS fand letztes Jahr im Bundestag keine Mehrheit.
Das Finanzministerium will bis zum Herbst abwarten und dann prüfen, ob die Empfehlungen sich bewährt haben. In den Kommunen mehren sich die Stimmen für eine gesetzliche Regelung. Rund 140 Millionen Mark kostet es die Kommunen jährlich, Sozialhilfe und andere Leistungen an Empfänger ohne Girokonto zustellen zu lassen.
Ob ein Gesetz wirklich hilft, bleibt abzuwarten. Schon heute schreiben die Landesgesetze von sechs Bundesländern den öffentlichen Sparkassen die Pflicht zur Führung von Girokonten vor. Doch die Praxis sieht hier nicht anders aus als überall sonst.
Wer zu den „Risikogruppen“ gehört und dennoch ein Konto ergattert, zahlt dafür häufig mehr als üblich – „wegen des erhöhten Aufwandes“, gibt Hannelore Hapke die Argumentation der Sparkassen wieder.
Eine besondere Form der Diskriminierung praktiziert die Bank für Gemeinwirtschaft. Bei der ehemaligen Gewerkschaftsbank, heute mehrheitlich in Händen der französischen Crédit Lyonnais, zahlt man bei monatlichen Kontoeingängen unter 2.000 Mark mindestens 12 Mark pro Monat. Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen kann dies egal sein: Sie bekommen bei der einstigen Bank der Werktätigen sowieso kein Konto. Joachim Göres
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