"Magere Ergebnisse"

■ Die PDS soll im Osten bleiben und Wohnungsgesellschaften gründen, meint Christine Ostrowski, PDS-Landtagsabgeordnete von Sachsen und Stadtvorsitzende von Dresden

taz: Warum soll sich die PDS aus dem Westen zurückziehen?

Christine Ostrowski: Sie soll es nicht, aber bislang sind die Westverbände der PDS mit vielen personellen und finanziellen Ressourcen überschüttet worden. Wenn nach sechs Jahren nur dieses magere Ergebnis erzielt werden konnte, war der Weg offensichtlich falsch.

Sie wählen in Ihrem Brief als „strategisches Vorbild“ die CSU. Die PDS soll sich im Westen also nicht mehr an Wahlen beteiligen?

Nein, aber die Bürger im Westen hatten Gelegenheit, uns zu wählen und entschieden bisher, daß sie uns nicht brauchen. Die Westausdehnung in der jetzigen Form ist gescheitert. Die PDS muß ihre Kräfte auf den Osten konzentrieren. Wenn wir in Sachsen die absolute Mehrheit der CDU brechen, dann hat dies mehr Auswirkungen auf die bundesdeutsche Politik, als wenn wir im Westen drei neue Büros eröffnen.

Sie schreiben, die PDS müssen „nicht mehr links von der SPD“ stehen, sondern sie solle sich in die „Mitte der ostdeutschen Gesellschaft“ begeben. Soll die PDS mit bisherigen programmatischen Grundsätzen brechen?

Die Mitte der Gesellschaft ist für uns nicht die ideologische Mitte. Die PDS muß aus der Mitte der Menschen heraus Politik machen, das ist konkrete linke Politik.

Hat die PDS dies bislang nicht gemacht?

Ja, zum Beispiel die Kommunalpolitiker; deshalb müssen sie mehr Einfluß auf die Politik der PDS bekommen.

Bei anderen PDS-Politikern sehen Sie noch Nachholbedarf?

Die PDS ist groß im Aufschreiben von Grundsatzpapieren, aber viele PDS-Politiker sind nicht in der Lage, ihre politischen Visionen in kleinen Schritten praktisch umzusetzen. Es nützt mir zum Beispiel nichts, wenn ich für offene Grenzen bin und gleichzeitig nicht weiß, wie gewinne ich die Menschen dafür und wie löse ich konkret die Probleme der Kommunen bei der Unterbringung von Asylbewerbern. Wer dazu nicht in der Lage ist, ist politikunfähig.

Bislang war die PDS immer vorneweg, wenn es um die Forderung nach Subventionen für ostdeutsche Betriebe ging. Wollen Sie der Partei jetzt das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe nahelegen?

Wir dürfen nicht bei einem Nein zur Rotstiftpolitik stehenbleiben und nur staatliche Subventionen fordern. Ich arbeite im Stadtrat im Vergabeausschuß, dort werden die öffentlichen Aufträge vergeben. Alle Regelungen laufen darauf hinaus, daß immer der billigste Anbieter den Auftrag bekommt. Das sind meist die großen Baufirmen aus dem Westen. Wir könnten da nach anderen Mechanismen suchen und so dem ostdeutschen Mittelstand mehr Aufträge erteilen. So könnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies wäre allemal sinnvoller, als noch einmal 500 Millionen Mark in die letzten industriellen Kerne des Ostens hineinzubuttern.

Ist Ihr Brief der Versuch, die PDS im Osten regierungsfähig zu machen?

Diese Debatte in der PDS ist doch abstrakt.

Teile der PDS wollen nur aus der Opposition heraus die Politik beeinflussen ...

... das halte ich für Blödsinn. Wenn wir gewählt werden, dann müssen wir auch auf Regierungsverantwortung vorbereitet sein.

Wie geht's im Westen weiter?

Wir müssen im Osten beweisen, daß wir Lösungsvorschläge haben. Wenn uns die Menschen hier dann wählen, wird dies auch Einfluß auf den Westen haben. Wenn es uns zum Beispiel gelänge, im Osten viele Wohnungsgenossenschaften zu gründen und damit auf dem Wohnungsmarkt anderes Eigentum schaffen könnten, würde dies die Wohnungspolitik auch im Westen beeinflussen.

Die radikalen Parteitagsbeschlüsse wie zu den offenen Grenzen, gegen die Atomenergie, zum Feminismus oder zur Ökologie sollte die PDS aber revidieren?

Wir fordern keine geschlossene Gesellschaft, aber unter den momentanen Bedingungen bedarf jeder Zuzug eines Regelwerkes. Natürlich wäre dies ein anderes, als es jetzt existiert.

Sie schreiben, als PDSler könne man sowohl gegen Atomkraft sein als auch dafür oder für und gegen den Neubau von Autobahnen ...

... in Dresden hat die PDS massiv gegen die stadtschneidende Autobahn protestiert.

Aber in Leipzig hat die PDS dafür gestimmt.

Ich kann versuchen, die Bürger mit den in unseren Augen besseren Argumenten zu gewinnen, aber ich kann sie doch nicht auf eine Anschauung verpflichten.

Die innerparteilichen Reaktionen auf Ihren Brief waren heftig. Wollen Sie, wie es in einem Widerspruch hieß, die „Lufthoheit über ostdeutsche Stammtische“ gewinnen und sich dafür von linken sozialen Widerstandsbewegungen distanzieren?

Die hohlen Phrasen wundern mich nicht. Die Ideologen waren noch nie sehr argumentationsstark. Die Frage ist doch, was man unter Widerstand versteht. Ich suche nach Formen des Widerstandes, die zivil sind und die Herrschenden unter Druck setzen. Bevor ich mich auf die Schienen lege, um die Dresdener Straßenbahnen zu retten, organisiere ich lieber ein Bürgerbegehren.

Aber die PDS darf nicht mehr hinnehmen, daß mit Leuten, die randalierend durch die Gegend ziehen, eine Gemeinsamkeit besteht. Wir schreien jedoch nicht, wie man uns vorwirft, nach dem Polizeistaat, sondern sagen lediglich, Leute, die Autos anzünden oder Bahngleise zerlegen, sind ein „Fall“ für die Polizei.

Interview: Christoph Seils

Siehe Kommentar Seite 10