Nachgefragt: Verfassungssprengsatz
■ Zum Wahlrecht von EU-BürgerInnen
Das Land Bremen soll, wenn es nach dem einstimmigen Senatsbeschluß dieser Woche geht, ein neues Wahlgesetz bekommen: EU-Ausländer sollen aktives und passives Stimmrecht für die Stadtbürgerschaft bekommen. Das neue Wahlrecht könnte sich zum Sprengsatz entwickeln (vgl. taz 8.5.). Interview mit Horst Isola, Senatsrat a.D., für die SPD in der Bürgerschaft.
taz: Der Staatsrat Justiz sagt, das vom Innensenator vorgelegte Wahlrechtsgesetz habe zur Folge, daß die ganze Bremer Stadtstaats-Verfassung umgekrempelt werden muß, weil Stadtverwaltung und Landesbehörden vollkommen getrennt werden müssen. Gibt es dazu eine Position der SPD?
Horst Isola: Die Risiken, die der Justizsenator aufgezeigt hat ...
... sein Staatsrat.
Es gibt ja nie nur die Personen ...
... der Senator Scherf hat zugestimmt im Senat.
Sagen wir: Die Risiken, die das Justizressort aufgezeigt hat, werden von uns ebenso gesehen.
Von der CDU auch?
Das weiß ich nicht. Allerdings kann man nicht mit Sicherheit sagen, ob die Risiken tatsächlich eintreten. Man wird das sehen, wenn gewählt worden ist. Aber welche Alternativen gibt es? Für uns als SPD-Fraktion wäre es die sauberste und die sympathischste Lösung gewesen, den EU-Ausländern dasselbe Wahlrecht einzuräumen wie den deutschen Bürgern.
Also auch zum Landtag.
Ja. Aber wir wissen, daß die CDU in Bremen das nicht mitmacht. Aber auch wenn das bremische Parlament es in seiner Gesamtheit beschlossen hätte, würde die Bundesregierung dies nicht akzeptieren. Nach der Änderung des Grundgesetzes dürfen ausländische EU-Bürger nur Kommunalparlamente mitwählen. In die Beratungen über die Reform des Grundgesetzes wollte das Justizressort deswegen eine Bremen-Klausel einbringen, um den anderen Ländern die Ängste zu nehmen, daß auch bei ihnen möglicherweise EU-Ausländer das Landtags-Wahlrecht bekommen könnten. Das ist nicht akzeptiert worden.
Die dritte Alternative wäre gewesen, nichts zu tun und gegen die EU-Auflage zu verstoßen, den EU-Ausländern das kommunale Wahlrecht zu ermöglichen. Das kann sich aber Bremen nicht leisten.
Bremen als Vorreiter für das allgemeine EU-Wahlrecht auf der regionalen Landesebene, das wäre doch eine gute Rolle auch für einen Bundesverfassungsgerichts-Prozeß.
Dem stimme ich zu. Hierfür sehe ich jedoch keine Zustimmung der CDU; dort überwiegt zur Zeit noch deutsch-nationales Staatsrechtsdenken.
Wenn nun eine Stadtbürgerschaft eventuell sogar mit EU-Ausländern zustande kommt, die nicht identisch ist mit der Bremer Gruppe des Landtages – darf die dann auch die Stadtregierung wählen? Was sagt der Gesetzentwurf dazu?
Der Innensenator als Verantwortlicher des Gesetzentwurfes akzeptiert die Rechtsauffassung des Justizressorts nicht.
Wer wäre klageberechtigt? Nur Abgeordnete oder auch Wähler?
Diese Frage habe ich bislang nicht geprüft. Das hängt von den jeweiligen Konstellationen ab.
Es ergibt sich dann, daß EU-Ausländer mit ihrer Stimme gezielt die Stadtbürgerschaft wählen dürfen, Deutsche aber können wie bisher ihre Stimme nicht bei der Stadtbürgerschaft für eine andere Partei oder Gruppe abgeben als bei der Landtagswahl. Ist das rechtlich haltbar?
Dies ist eine der ungeklärten Fragen.
Die Trennung von Stadtverwaltung und Landesbehörde wäre eine Vorarbeit, nach der man das Land Bremen leicht wegrationalisieren kann.
Hier liegt in der Tat das eigentliche Problem, im Zusammenhang mit der Selbständigkeit des Landes Bremen. Int.: K.W.
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