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Dann läßt jemand eine Bratpfanne fallen Von Ralf Sotscheck

Alles muß man selber machen. Nachdem selbst die konservative Presse die Tories in die Pfanne haut, hat der britische Premierminister John Major seine eigene Zeitung gegründet: Look! In dem 16seitigen Boulevardblatt ist die britische Welt noch in Ordnung: Da sinkt die Verbrechensrate unaufhörlich, und Großbritannien führt die Welt ins nächste Jahrtausend, da gibt es Kneipen für die ganze Familie und Lotteriegewinner allüberall. Sogar auf der Sportseite ist von Major die Rede: Dank der Regierungspolitik geht es nun auch mit dem britischen Fußball aufwärts.

Weil man den Unfug natürlich nicht öffentlich verkaufen kann, hat die Parteizentrale 100.000 Exemplare kostenlos an Sympathisanten abgegeben. Die sollen die Botschaft des Premierministers unters Volk bringen: „Es gab eine Zeit, da wurde Großbritannien mit Verachtung von seinen Nachbarn gesehen“, fängt Majors Artikelchen an. „Nun: all das hat sich geändert.“ Heute spotten die Nachbarn vor allem über den Premierminister.

Ob eine zweite Ausgabe des gutgelaunten Blattes erscheinen wird, ist zweifelhaft. Offenbar hat man sich bei der ersten Nummer schon so verausgabt, daß man auf den letzten Seiten bei den guten Nachrichten ein wenig nachhelfen mußte. Der Parteivorsitzende Brian Mawhinney verkündet dort freudestrahlend, daß die Firma „Boxes and Packaging“ aus dem südwestenglischen Swindon typisch für all die kleinen Firmen sei, die dank der unternehmerfreundlichen Tory-Politik aufgeblüht seien. Der Boß der Firma, Shearer Sellars, wird als „vehementer Gegner der Labour-Partei“ zitiert, die es „Politikern und Gewerkschaften gestattet, sich in die Firmenleitung einzumischen“. Aus Sellars' Mund klingt das anders: „Ich könnte den Konservativen niemals meine Stimme geben“, bedauerte er in einem Fernsehinterview, „das verdienen die gar nicht“.

Das finden auch die ehemaligen Tory-Blätter. Die Times meint, Major müsse sich „dringend eine feste Meinung zu irgendetwas bilden“. Und selbst der Telegraph monierte: „Obwohl er eine ehrliche Haut ist, steht Herr Major heutzutage für gar nichts mehr.“ Sogar Lord McAlpine, ehemaliger Schatzmeister der Tories, vergleicht seine Partei mit einer Tierart, bei der seit geraumer Zeit – ungefähr seit Amtsantritt der Tory- Regierung – der Wahnsinn grassiert. „Es ist wie bei einem Wildwestfilm“, sagte der Lord. „Da gibt es diese Rinderherden, und dann blitzt und donnert es. Die Rinder werden unruhig, dann läßt jemand eine Bratpfanne fallen, und die Herde jagt in tausend verschiedene Richtungen davon.“ Nur der Leitbulle merkt nichts vom Torywahn.

Aber zum Glück gibt es ja noch den Fußball. Sollte England die Europameisterschaft im Juni vor heimischem Publikum gewinnen, verdankt das die Mannschaft dem Premierminister, wenn man dem kleinformatigen Tory-Witzblatt glauben darf. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß Major und Englands Trainer Terry Venables etwas ganz anderes gemein haben: Venables ist seinen Job nach den Europameisterschaften los, weil er wegen Betrugsvorwürfen vor Gericht muß; Major hat auch nicht viel länger Zeit, bis ihn das verschaukelte Wahlvolk an der Urne richtet. Don't Look!

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