: Bleib mir bitte aus der Tasche, Theo!
■ Der Geist von Krickenbeck tritt leise: Länderchefs lassen Kohls Sparpaket unangetastet und bewahren ihre Pfründen
Nettetal (taz) – Nicht Fisch, nicht Fleisch: Die MinisterpräsidentInnen haben zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme der Republik wenig beizutragen. Bei ihrer Sonderkonferenz in Schloß Krickenbeck in Nettetal umgingen sie nicht nur das heißeste Eisen, die Bonner Sparbeschlüsse, sie kündigten auch tiefgehende Einschnitte für die Bevölkerung an.
So sagte die schleswig-holsteinische Länderchefin Heide Simonis, die den Vorsitz führte: Ohne einen „Umbau der Sozialversicherungssysteme, einschneidende strukturelle Sparmaßnahmen und eine Neuordnung der Finanzbeziehungen“ werde es angesichts der dramatischen Situation in den Haushaltskassen nicht mehr gehen. Mitten in die dreitägige Konferenz der MinisterpräsidentInnen war die neueste Steuerschätzung geplatzt, wonach der Steuerausfall für dieses Jahr 26,5 Milliarden Mark betragen wird.
Die RegierungschefInnen, die nicht müde wurden zu betonen, daß sie keine Front gegen Bonn machen wollten, zeigten sich über ihre Ergebnisse zufrieden. Es sei gelungen, gemeinsam Vorschläge für den Abbau von Arbeitslosigkeit, die Sicherung der Sozialkassen und gegen den drohenden Finanzkollaps der Länder vorzulegen. Konkreter wurden sie nicht. Um den Arbeitsmarkt anzukurbeln, sprechen sich die Länder vor allem für eine „deutliche Senkung der Lohnzusatzkosten als wichtiger Ursache für die hohen Arbeitskosten“ aus. Über tarifliche Lohnnebenkosten wollen sie Gespräche mit den Tarifparteien führen. Außerdem beabsichtigen sie, Art und Umfang von versicherungsfremden Leistungen in den Sozialversicherungen festzulegen und auf ihre Notwendigkeit hin zu überprüfen. Zuerst müsse aber geklärt werden, was unter versicherungsfremden Leistungen zu verstehen sei. Die RegierungschefInnen plädieren zudem für den zweiten Arbeitsmarkt als Übergangslösung. Außerdem müsse die Arbeitszeit flexibler werden.
Heide Simonis machte deutlich, daß die Beschlüsse Opfer von allen Menschen verlangen werden. Zusätzliche eigene Opfer vermeiden wollen dagegen die Länderregierungen. So lehnen die LänderchefInnen einseitige Steuerausfälle auf Kosten von Ländern und Gemeinden strikt ab. Dies bezieht sich zum Beispiel auf den Wegfall der Vermögensteuer, die Umverteilung der Umsatzsteuer zugunsten des Bundes sowie auf eine Reform der Kraftfahrzeugsteuer, die zu erheblichen Steuerausfällen für die Länder führen würde.
Eigentlich hatten die Regierungschefs Thesenpapiere zu drei Themen vorlegen wollen. Für die Öffentlichkeit ist lediglich eines unter der Federführung von Gerhard Schröder (SPD) und Kurt Biedenkopf (CDU) über die Zukunft des Arbeitsmarktes herausgekommen. Die beiden zeichnen dabei ein skeptisches Bild: „Das Arbeitsplatzangebot in den alten Industrienationen wird sich nicht nennenswert vermehren.“ Die Arbeitsgruppe „Sicherung des Sozialstaats“ wollte ihre Ergebnisse nicht vorlegen, um den Verhandlungen im Bundesrat nicht vorzugreifen. Und die Gruppe Finanzen mußte wegen der ungewissen Zahlen über die Steuerausfälle ganz passen. Markus Franz Seite 4
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