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Suche nach klaren Fronten

■ Der ÖTV-Tarifstreit ist politisch hoch belastet

Ganz ungewollt ist die ÖTV in eine Schlüsselrolle geraten. Die Gewerkschaft soll zum Vorkämpfer werden gegen den Sozialabbau. Und genau das ist ihr Problem. Die Arbeitgeber wollen im Tarifstreit den öffentlichen Dienst als Einfallstor benutzen, um soziale Verschlechterungen durchzusetzen. Eine Nullrunde, dazu eine verringerte Bemessung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, gemindertes Weihnachtsgeld bei Krankheit, Arbeitszeitverlängerung nach Bedarf, das steht auf der Wunschliste aller Arbeitgeber. Kommen die Verschlechterungen im öffentlichen Dienst durch, wird die private Wirtschaft begeistert nachziehen.

Das ist das ÖTV-Dilemma: Lenkt sie ein, hat die Gewerkschaft ihre Symbolfunktion als Bollwerk für soziale Sicherung eingebüßt. Läßt sie es aber auf einen Großkonflikt ankommen und beharrt auf ihren hohen Prozentforderungen, ist ihr nicht nur die politische Kritik, sondern auch die Ungeduld breiter Bevölkerungsschichten gewiß. Sind es doch traditionell die sicheren Arbeitsplatzbesitzer im öffentlichen Dienst, die in Zeiten heftiger Umverteilungsdiskussionen immer wieder auf die Ressentiments weniger gut abgesicherter Beschäftigter stoßen. Das war schon in den 20er Jahren und auch Mitte der 70er Jahre so.

Auf einer rein pragmatischen Ebene ist ein Kompromiß im gegenwärtigen Tarifkonflikt eigentlich leicht vorstellbar: Ein niedriger Abschluß, die zwei zusätzlichen freien Tage, die seit 1987 im öffentlichen Dienst gelten, werden gestrichen oder zumindest gekappt. Eine sehr viel niedrigere Prozentforderung als die derzeit 4,5 Prozent und gleichzeitig eine offensive Haltung gegen sozialen Abbau bei Krankheit: Damit schüfe die ÖTV einen allgemeinen Konsens über ihre Klientel hinaus. Auch die Chemie- und Textilindustrie haben schließlich niedrig abgeschlossen. Sonderurlaube und -pausen wurden auch anderweitig schon eingeschränkt.

Aber die Zeiten für Kompromisse sind schlechter als noch vor einigen Wochen. Die Kakophonie der Sparwütigen wird immer lauter und damit die Erwartungen an die Gewerkschaft höher. Schwierig für die ÖTV: Denn der öffentliche Dienst gehört eben nicht zu jenen Bereichen, in denen die reine Besitzstandswahrung überzeugt. Barbara Dribbusch

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