: Erst bremsen, dann lenken?
■ Museumsreform: Vorschlag der Direktoren ist politisch nicht durchsetzbar
Eigentlich wollen es alle Beteiligten: die Verselbständigung der sieben Hamburger Staatsmuseen. Seit 1994 wird das Projekt in den Museen, der Kulturbehörde und den politischen Gremien diskutiert. Der aktuelle Stand wurde letzte Woche im Kulturausschuß der Bürgerschaft beleuchtet. Dabei zeigte sich als wichtigster Punkt, daß die von den Direktoren favorisierte Reform politisch nicht durchsetzbar ist, denn sie kostet erstmal Geld.
Die in Anlehnung an ein sehr erfolgreiches holländisches Reformmodell entwickelte strukturelle Neugliederung der Museen benötigt fast 20 Millionen „Mitgift“ pro Museum über einen Zeitraum von zehn Jahren. Das an dieser Stelle schon ausführlich dargestellte Resultat ist dann allerdings beeindruckend effektiv und prosperierend. Doch daß diese Anschubfinanzierung im momentanen Sparamok völlig unrealistisch ist, daran läßt die Kultursenatorin Christina Weiss keinen Zweifel: „Bis 1999 kann man auf die Frage nach einer ähnlichen Finanzspritze mit einem todsicheren ,Nein!' antworten.“
„Wir können uns durch aktuelle Finanzprobleme kein Denkverbot für zukünftig gute Lösungen auferlegen lassen“, meinen dagegen Direktor Gernot Krankenhagen vom Museum der Arbeit und Klaus Lattmann, CDU-Vertreter im Kulturausschuß, übereinstimmend, aber wohl folgenlos. Einig werden kann man sich wohl über das privatrechtliche Stiftungsmodell für jedes einzelne Museum, das die Direktoren vorschlagen.
Vehemente Veränderungsängste bremsen zudem die überfällige Reform des morschen Verwaltungsgerüstes. Personalrat und ÖTV befürchten etwa trotz gegenteiliger Zusicherungen ganz grundsätzlich Personalabbau, so wie das Berliner Beispiel es lehrt. Dort folgte auf überstürztes Abschieben aller Museen in eine gemeinsame Stiftung eine Kündigungswelle: ein schlechtes Beispiel, von dem das Hamburger Modell sich deutlich absetzen will.
Die Kultursenatorin kann sich als immerhin geringstes Ergebnis der Diskussion eine Lockerung bisheriger Vorschriften und ein freieres Budgetrecht vorstellen. Christine Maiwald, stellvertretende Leiterin des Museums für Völkerkunde, hält das allerdings für ungenügend: „Wir brauchen mehr Bewegungsfreiheit und ein klares, vertragliches Verhältnis zum Staat.“
Immerhin können sich die Parlamentarier einen Probelauf des Stiftungsmodells in erstmal einem Museum vorstellen, ansonsten setzen sie auf einen jahrelangen, feindosierten Entscheidungsprozeß. Frühestens im Winter wird der Kulturausschuß einen neuen Antrag vorlegen, eine Entscheidung der Bürgerschaft wird in dieser Legislaturperiode kaum mehr erfolgen.
Politik und Öffentlichkeit scheint allerdings viel zu wenig klar zu sein, daß schon mit den momentanen linearen Sparbeschlüssen die Lage der Museen katastrophal geworden ist. Zudem sind die demonstrativen Museumsneueröffnungen im nächsten Jahr mit weiteren drastischen Stellenkürzungen und dem Verzicht auf einen freien Etat erkauft.
Doch eine Stadt, in der an einem einzigen Wochenende 12 Millionen Mark beim Hafengeburtstag ausgegeben werden, kann eigentlich nicht so pleite sein, daß Sparwut zwangsläufig über Vernunftlösungen siegen muß. Auch wenn vor allem die Bonner Regierung Länder und Kommunen ausblutet und als „Sparprogramm“ verkleidete Umverteilung von Geld an Reiche, Großindustrie und Banken betreibt, wirft auch Hamburg der Wirtschaft unnötig gutes Geld nach: 50 Millionen aus dem Saatssäckel erhält allein die Sietas-Werft, damit sie größere Schiffe bauen kann, als ihre Lage es zuläßt. Zur Erinnerung: 40 Millionen kosten alle sieben staatlichen Museen zusammen im Jahr und die „Mitgift“ zur Basissanierung bei der geforderten Reform ist deutlich geringer. Und mehr und bessere Arbeitsplätze als eine Werft bietet die Kultur allemal.
Da hieße es einmal, sich vom blutsaugenden Fetisch nostalgischer Industrieproduktion zu verabschieden und sich daran zu erinnern, daß Kultur ein Wirtschaftsfaktor ist. Jede für die Kultur ausgegebene Mark kommt dreifach zurück. Hajo Schiff
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