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Mauer des Schweigens bröckelt

■ Polizei-Prozeß: Beamter der Wache Kirchenallee gibt Übergriff gegen Nigerianer zu, nachdem ein Kollege gegen ihn aussagte Von Marco Carini

Es bedurfte schon einigen Nachdrucks, um die Mauer des Schweigens zu durchbrechen: „Ich habe zuerst gelogen und eine Menge verheimlicht“, gesteht der Polizeibeamte Wilfried B. (24) vor dem Hamburger Amtsgericht. Erst bei der zweiten Vernehmung, nach eindringlichen Aufforderungen des Staatsanwaltes, habe er sich entschlossen, „reinen Tisch zu machen“ – und damit seinen Kollegen Mike Sch. (32) zu belasten.

Der mußte sich gestern vor dem Hamburger Amtsgericht wegen Körperverletzung im Amt verantworten. Er soll im Juni 1993 den Nigerianer Malam I., den er verdächtigte, Rauschgift zu besitzen, auf der Wache 11 an der Kirchenallee in St. Georg mehrfach geschlagen, getreten und mit rassistischen Äußerungen beleidigt haben.

Der Angeklagte selber bestreitet nicht, die „Nerven verloren“ zu haben. Malam I. habe er „eine Ohrfeige verpaßt“, als dieser nicht den Mund öffnen wollte, in dem Mike Sch. fälschlicherweise Drogen vermutete. Während das inzwischen nach Nigeria abgeschobene Opfer ausgesagt hatte, mehrfach mit Schlägen und Tritten traktiert worden zu sein, bestreitet der Beamte jede weitere Tätlichkeit.

Sein Kollege Wilfried B. kann sich hingegen an mindestens zwei Schläge erinnern. Daß er über die Vorfälle keine Meldung machte, begründet der nur sporadisch an der Kirchenallee-Wache eingesetzte Beamte mit der Macht der Gewohnheit: „Das war nichts besonderes, daß auf der Revierwache 11 Schwarzafrikaner härter angefaßt wurden als andere Personen.“ Ein anderes Mal habe er beobachtet, daß ein Kollege einem Schwarzafrikaner „in die Magengrube schlug“. Fazit des Zeugen, dem sein langes Schweigen bereits eine Geldstrafe von 6300 Mark wegen „Strafvereitelung im Amt“ einbrachte: „In dem Revier herrschte eine Gangart, wie ich sie bis dahin nicht kannte.“

Und Wilfried B. hat noch mehr zu erzählen: Etwa daß der Angeklagte dem vermeintlichen Drogenbesitzer ein „I hate nigger“ entgegengeschleudert und den Fund eines Kondoms in den Taschen des Nigerianers mit den Worten „Is this for german girl?“ kommentiert hätte. Auch habe der Beschuldigte ihn zweimal gebeten, „nichts auszusagen, was ihn belastet“. Wilfried B.: „Das habe ich ihm versprochen.“

Der Angeklagte hingegen will lediglich von „Deal-Negern“ und nicht explizit von einem „german girl“ gesprochen haben. Denn gegen Schwarzafrikaner, die nicht in die Drogenszene verwickelt sind, so Mike Sch., „habe ich nichts“. Zu dem Vorwurf, mit einem „Verfahren des Verschleierns“, so Staatsanwalt Janhenning Kuhn, seine Übergriffe systematisch vertuscht zu haben, wird Sch. voraussichtlich erst bei der Prozeß-Fortsetzung am 3. Juni vernommen werden.

Gestern räumte der Beamte zwar ein, daß er sich mit der zugegebenen Ohrfeige ein „krasses Fehlverhalten“ geleistet habe, doch zumindest habe „die Maßnahme Erfolg erzielt“: Malam I. hätte endlich seinen Mund geöffnet.

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