■ Cash und Crash: Spekulanten heizen auf dem Info-Highway
Rom (IPS) – Wunder soll sie für die Verbreitung von Information verbringen, die Revolution in der weltweiten Telekommunikation. Doch genauso könnte sie fatale Konsequenzen für die Stabilität des internationalen Finanzsystems haben. Der Wirtschaftswissenschaftler Alan Metzer hat dazu angemerkt, daß die Zentralbanken der Industrieländer Reserven in Höhe von nur 14 Milliarden Dollar halten, um täglichen Währungsschwankungen entgegenzuwirken. Eine lächerliche Menge im Vergleich zu den 800 Milliarden Dollar, die jeden Tag auf den Devisenmärkten ihren Besitzer wechseln.
Eine Studie der Direktoren der Harvard Business Review schätzt, daß für jeden Dollar, der aus produktiver Tätigkeit entsteht, 30 bis 50 Dollar auf den Finanzmärkten generiert werden. Weltweit beträgt das Spekulationskapital heute 2.300 Milliarden Dollar. 800 davon liegen bei den Banken, die verbleibenden 1.500 Milliarden sind angelegt.
Nach neuesten Erkenntnissen waren vor der mexikanischen Pesokrise von den 70 Milliarden Dollar Auslandsinvestitionen im Land nur zehn Prozent im Produktionssektor investiert, der Rest war Spekulationskapital. Nach der Ermordung des mexikanischen Präsidentschaftskandidaten Luis Donaldo Colosio, im März 1994, wurden innerhalb von 24 Stunden 800 Millionen Dollar abgezogen. Politiker diskutieren zwar über Methoden, diese massiven Kapitalflüsse unter Kontrolle zu bringen, ein gangbarer Weg steht aber bislang aus. Bereits vor 20 Jahren hatte der Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin vorgeschlagen, eine Steuer von 0,5 Prozent auf alle spekulativen Transaktionen zu erheben, mit dem Ziel, diese Ströme zu reduzieren und zu registrieren. Was damals eine effektive Idee gewesen sein mag, mutet heute angesichts der Mobilität des Kapitals utopisch an.
Jede Regierung, die versuchen würde, ein Gesetz in der Art des von Tobin vorgeschlagenen zu verabschieden, würde einen sofortigen Kapitalrückzug erleben. Der einzig vorstellbare Weg zur Realisierung eines solchen Gesetzes wäre seine simultane Verabschiedung von allen 189 Staaten der Vereinten Nationen, eine Vorstellung, die utopisch ist. Dabei könnte die sogenannnte Tobin-Steuer pro Jahr genug Geld einbringen, um das gesamte Budget der Vereinten Nationen und alle weltweiten Umwelt-, Erziehungs-, und Gesundheitsprojekte zu finanzieren. Roberto Savio
Der Autor ist Generalsekretär der Gesellschaft für internationale Entwicklung und Generaldirektor von Inter Press Service (IPS)
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