Alle Tage Sabotage

■ betr.: Zweiter Castor-Transport nach Gorleben

Schon ein einzelner GAU macht ganze Landstriche mehrere 100.000 Jahre unbewohnbar, ebensolange müßten die Abfälle von der Biosphäre abgeschirmt werden. Dies uns zumuten zu dürfen im Interesse einiger Konzernbilanzen, maßen sie sich an. Daß wenige leider Steine werfen, soll die Gewalt seitens des Staates, das grundsätzliche Unrecht der Atomkraft aus den Nachrichten verdrängen.

Die sich wehren, friedlich auf der Straße sitzen, öffentlich angekündigt und gewaltfrei Gleise demontieren, nennen sie Kriminelle oder Gewalttäter. „Wenn das Gesetz dich zum Arm des Unrechts macht, dann, sage ich, brich das Gesetz.“ (H. D. Thoureau, 1817-62) Stimmt! Deshalb stellt euch quer! Alle Tage Sabotage! Sebastian Veith, Trebur

Na, hoffentlich mißversteht Helmut Kohls Freund Bill Clinton nicht die Nachrichten über die radioaktive Polizeistaats-Prozession durch die BRD. Es könnte ja sein, daß er wegen der vielen Polizei und Paramilitärs meint, Deutschland würde jetzt von Fidel Castor beherrscht – und beschließt Wirtschaftssanktionen gegen uns. Dieter Weis, Estenfeld

Resümee am Tage danach: Nun weiß ich überdeutlich, was Christ- demokraten für christlich und demokratisch halten: Es muß christlich und demokratisch sein, den Atommüll einem Gebiet und deren Bewohner zuzumuten. Und wenn viele das nicht haben wollen, muß es ihnen mit Panzern, Hundestaffeln, Wasserkanonen, Schlagstockbataillonen aufgezwungen werden. Das alles muß sein, denn die Atomindustrie muß sein.

Dagegen Argumente vorzubringen, zu protestieren mit Lichtern und Strickhappenings macht nichts, kann übersehen werden. Sitzblockaden werden durch Verbote zu Hausfriedensbrüchen gemacht. Dreckwerfen und Schlimmeres ist willkommen, denn so ist scharfer Polizeieinsatz gut zu begründen. Sollten Steinwürfe ausbleiben, können diese (und sogar Bombenleger) engagiert werden. Am Abend nach solch einem sechsstündigen Polizeieinsatz bekommen wir Demonstranten von gutangezogenen Damen und Herren in Bonn und Hannover in wohlanständiger Redeweise gesagt, wie kriminell wir sind und wie notwendig und bedankenswert der Polizeieinsatz war.

Natürlich haben dieselben Politiker die Steinewerfer gegen die russischen Panzer in Prag als Freiheitshelden gepriesen (wie wir alle). Aber da für viele in unserer Bevölkerung erst nach einem GAU deutlich wird, daß durch die Atomindustrie Zerstörung wie bei Kriegen droht, erklären sie kurzerhand solche Vergleiche für unzulässig.

Und nun sollen also noch 120 solcher Behälter und weitere Castor-Behälter (die Halle faßt über 400), wenn es sein muß, uns in gleicher Manier gebracht werden. Werden wir mehr tun können, als was wir schließlich getan haben, in ohnmächtiger Wut und Trauer nach Hause gehen? Werden wir der Lebensweise mancher „Lebenskünstler“ unter uns folgen und uns in unsere Wohnung, unseren Garten, unsere Hobbys zurückziehen, Musik und Sport einschalten und die da oben machen lassen, was sie wollen?

Ich weiß und halte fest, daß alle Menschen doch Menschlichkeit suchen, daß Lügen kurze Beine haben, daß Argumente (Wahrheiten) nie ohne Wirkung bleiben, daß sogar schlimme Dinge wie dieser Polizeieinsatz, wie alle bösen Auswirkungen der Atomwirtschaft dazu helfen müssen, daß wir schließlich doch die rechte Lebensweise finden und verwirklichen können. Also bleibt es für mich dabei: Ich stelle mich zur Atomwirtschaft quer, auch wenn ich beim nächsten Transport wieder nicht mehr tun kann, als hingehen und verzweifelte Gefühle in mir tragen und schließlich trostlos nach Hause gehen muß. Johannes Carnap, Dannenberg

Schade, daß nur wenige Medien und PolitikerInnen den zweiten Castor-Transport nach Gorleben zum Anlaß nehmen, über das zu diskutieren, worum es eigentlich geht: den längst fälligen Ausstieg aus der Atomenergie! Mit Empörung über „Krawalle“ und „Gewalttäter“ läßt sich eben besser Schlagzeilen machen. Wer jedoch den Polizeieinsatz im Wendland miterlebt hat, weiß, von welcher Seite mehr Gewalt ausging. [...]

Ich wünsche mir für den nächsten Castor-Transport, daß sich noch mehr Menschen friedlich, aber entschlossen, querstellen. Der Widerstand im Wendland ist vielfältig, phantasievoll und gewaltfrei: Steinewerfer gehören dort nicht hin.

Danke für die „etwas andere“ Berichterstattung! Janka Fee Hammer, Lüneburg