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■ Serbenführer Karadžić schaßt seinen PremierministerDas letzte Gefecht?

Alles Gerede, der Serbenführer Karadžić sei mit der Aktion der Ifor-Friedenstruppen in Bosnien-Herzegowina politisch kaltgestellt, hat sich als falsch erwiesen. Der als Kriegsverbrecher Gesuchte zeigte sich am Mittwoch quicklebendig und politisch weiterhin potent. Indem er den Premierminister der „Republika Srpska“ – des von bosnischen Serben kontrollierten Gebiets in Bosnien-Herzegowina – einfach entließ, wollte er demonstrieren, wer bei den bosnischen Serben die Macht in den Händen hält. Der Vorgang zeigt aber vor allem, daß Karadžić die Macht nach und nach doch zu entgleiten droht.

Weil er angesichts der Anklagen in Den Haag nicht offen auftreten kann, mußte Karadžić es anderen überlassen, ins Rampenlicht zu treten. Die Stunde der graue Mäuse und Apparatschicks kam: Der Ex-Premierminister Rajko Kasagić war, obwohl immer im Machtzentrum der serbischen Extremisten, bei den „ethnischen Säuberungen“ und den Verbrechen im Hintergrund geblieben. Er galt deshalb bei den internationalen Politikern als weniger belastet und damit politikfähig. Daß die graue Maus Kasagić später Gefallen an ihrer neuen Rolle fand, überrascht nicht. Von der internationalen Politik ernst genommen und Absprachen im Rahmen des Dayton-Abkommens treffend, geriet Kasagić zunehmend in Widerspruch zu seinem Chef Karadžić.

Bei den Wahlen hätte diese Spaltung Karadžić gefährlich werden können. Mit dem Friedensprozeß begannen auch Teile der serbischen Bevölkerung darüber nachzudenken, wie ihre Zukunft gestaltet werden kann. In solchen Konzepten hat Karadžić keinen Platz. Nicht der Frieden, nur der Krieg sichert die Position seines Extremismus. Und da seine Opponenten es sogar verstanden, Teile der Extremistenpartei SDS auf ihre Seite zu ziehen, geriet Karadžić zunehmend unter Druck.

Zusammen mit anderen Extremisten will er wieder sicheren Boden unter die Füße bekommen. Die Verzweiflungstat wird ihm jedoch nur wenig nützen. Denn nicht einmal der duldsame Repräsentant der UN, Carl Bildt, kam um einen Protest gegen die Entlassung des Premiers herum. Ziehvater Milosević kann Karadžić nicht mehr halten, die Moderaten wie Kasagić wehren sich. Auch der Druck auf die internationalen Ifor-Truppen, die Kriegsverbrecher doch noch zu verhaften, nimmt jetzt zu. Karadžić hat eigentlich keine Chance mehr. Bis zu seinem Ende kann er jedoch mit Terror und Gewalt noch viel Unheil anrichten. Erich Rathfelder

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