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Lobbies gegen Bürgerinitiativen

■ Buchtip: „Deckmantel Ökologie“. Grün geschminkte Organisationen der Unternehmer machen gezielt Propaganda gegen Umweltbewegung

Was tut eine Branche, wenn böse Umweltschützer sich aufmachen, an deren Image zu knabbern? Sie gründet eine Lobby. Lobbyismus ist keine Erfindung der Neuzeit. Es hat schon immer Gruppen gegeben, die ihre Interessen in den Vordergrund zu schieben wußten, um neue Gesetze in ihrem Sinne zu beeinflussen oder alte zu modernisieren. Muß ja nicht per se was Schlimmes sein.

Doch in ihrem Buch „Deckmantel Ökologie“ beleuchten Claudia Peter und Hans-Joachim Kursawa-Stucke acht Organisationen, die sich umweltpolitisch grün schminken, aber hinter dieser Maske eine tiefschwarze Unternehmenspolitik und gezielt Propaganda gegen Umweltorganisationen betreiben – gleichsam Bürgerinitiativen gegen Bürgerinitiativen aufbauen. Beispiel USA: Der Name „Waste Watchers“ hört sich zunächst gut an – erinnert er doch, flüchtig betrachtet, an Weight Watchers, Human Right Watch und andere vertraut klingende Gruppen. Tatsächlich aber, so die Recherche der beiden Autoren, steckt hinter den Waste Watchers eine Interessengemeinschaft, die sich mit Millionenbudgets für die Müllverbrennung stark macht und in diesem Sinne Argumentationshilfen gegen sich sträubende Bürger und Politiker fabriziert, aber auch Organisationen wie BUND und Greenpeace diskreditiert. Claudia Peter zeigt industrielle und personelle Verflechtungen bis hin zum schwedischen Verpackungsmulti Tetra Pak. Beispiel Deutschland: Der Bundesverband für fachgerechten Natur- und Artenschutz streitet gegen Einfuhrbeschränkungen für artengeschützte Tiere. Tenor der Argumentation: Wir retten arme Tiere aus der freien Natur vor den Kochtöpfen in den Ursprungsländern und geben ihnen hier eine Zukunft. Dahinter stehen die Interessen privater und gewerblicher Tierhalter mit mächtigen Freunden in der Bundesregierung – bis hin zu Klaus Töpfer in seinem Amt als früherer Umweltminister.

„Deckmantel Ökologie“ nennt Tarnorganisationen der Industrie in den USA, deren Geschichte und Verflechtungen, und demaskiert Wegbereiter in Deutschland. Klar wird, daß die USA in diesem Zusammenhang nicht mehrere tausend Kilometer entfernt sind, sondern so nah wie das nächste Telefon: Der Einfluß einiger von der Industrie bezahlter vermeintlicher Umweltlobbyisten reicht bis in deutsche Buchverlage.

Darüber hinaus wird die subtile Einflußnahme der Chemieindustrie auf Gutachter und das einstige Bundesgesundheitsamt im Holzschutzmittelprozeß analysiert, der vor geraumer Zeit wieder nahezu bei Null angelangt war. Thema eines anderen Kapitels ist der Weg des Umweltzeichens „Blauer Engel“ auf ein Waschmittel von Lever. Hans-Joachim Kursawa-Stucke geht unter anderem der Frage nach, warum die Waschmittelindustrie selbst darüber in Streit geriet.

Fazit: Anfangs machte die ständige Wiederholung von Namen und Querverweisen stutzig. Doch bald erweisen sich diese Rekapitulationen aus vorhergehenden Kapiteln als hilfreich, weil sonst der Blick für die Zusammenhänge verlorenzugehen droht. Dringend nötig wäre allerdings ein Sach- und Namensregister. „Deckmantel Ökologie“ ist ein in jedweder Hinsicht aufregendes Buch. Andreas Lohse

Claudia Peter und Hans-Joachim Kursawa-Stucke: „Deckmantel Ökologie – Tarnorganisationen der Industrie mißbrauchen das Umweltbewußtsein der Bürger“. Knaur-Verlag München, 254 Seiten, 14,90DM

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