Das Portrait: Theater-Altmeister
■ Peter Zadek
So ist das eben, auch mit Theaterleuten: Aus Jungen Wilden werden Meister, aus Meistern werden Altmeister, und Altmeister werden irgendwann 70. Dann rücken Freunde ihre privaten Glückwünsche in seriösen Wochenzeitungen ein, und in festlichen Interviews sagen die Jubilare: „Bei Menschen und bei Schauspielern ist es das, was mich wirklich interessiert: das Echte.“ Und keiner fragt nach: „Ja, Herr Zadek, was ist denn das Echte?“
Peter Zadek wurde in Berlin geboren, emigrierte 1933 mit seinen jüdischen Eltern nach London und arbeitete seit 1958 vor allem in Deutschland. Sein Ansatz ist offen und humanistisch: bei ihm bleiben Schauspieler auch auf der Bühne Menschen, perfektionistische Figurenentwürfe, wie er sie etwa bei Peter Stein kritisierte, waren ihm immer zuwider. Ulrich Wildgruber, Eva Mattes oder auch Ulrich Tukur sind typische Zadek- Schauspieler: charmant, präsent und doch auch irgendwie privat.
Spätestens seit 68er-Zeiten gilt Peter Zadek mit seinen Inszenierungen etwa von Edward Bond und Shakespeare als einer der provokativsten Regisseure, und doch ist er nichts weniger als ein 68er. Politische Tribüne war ihm das Theater nie. Zu Deutschland blieb der Engländer unter den deutschen Regisseuren auf Distanz. Mehr liegt ihm das Leichte im Schweren, das Unkomplizierte an der Tragödie. So setzte er sich auch 1988 in seiner Hamburger „Lulu“-Inszenierung schonungslos unschuldig in Hochgeschwindigkeit über Jahrzehnte verklemmter und verklärender Wedekind-Rezeption hinweg.
Dreimal war Peter Zadek Intendant: ab 1972 in Bochum, ab 1985 am Hamburger Schauspielhaus. Zuletzt, bis Frühjahr 1995, war er Mitglied des Direktoriums des Berliner Ensemble. Das ging nicht gut. Zwei so grundverschiedene ästhetische Positionen wie seine und Heiner Müllers können in einem gemeinsamen Haus nur mit Kompromissen wohnen. Das war zuletzt nicht mehr möglich. Geblieben ist ein Berg schmutziger Wäsche.
Die Hunde bellen noch immer, doch Zadek ist schon weitergezogen. In Wien hat er Tschechows „Kirschgarten“ inszeniert, heute abend ist die Berliner Premiere. Das Drama einer untergehenden Gesellschaft, sehr passend als Alterswerk. Als nächstes geht Zadek nach München. Berlin findet er mittlerweile „trostlos“ und „hysterisch“. Dennoch wird er seinen Geburtstag hier feiern. So ist das eben. Petra Kohse
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