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Singer-Kongreß

■ betr.: „Ich bin für eine Ethik der Unsicherheit“, taz vom 8. 5. 1996

Statt über die Gegenveranstaltungen zum „Singer-Kongreß“ zu berichten, statt wie früher bei der taz üblich VertreterInnen von Behindertengruppen, wie Udo Sierck, oder Verteidigern ungeteilter Menschenrechtsansprüche, wie Oliver Tolmein, zu Wort kommen zu lassen, erteilt ihr nur noch Unterstützern der sogenannten „Bioethik“ das Wort. Kritische Auseinandersetzungen mit der drohenden europäischen Bioethikkonvention suchen wir in der taz vergeblich. In einer Zeit, in der Kosten-Nutzen-Rechnungen wieder im Vordergrund stehen, wird das Töten behinderter Säuglinge modern – natürlich unter dem Deckmantel der Humanität. Dieses falsche Mitleid ist tödlich.

Die taz macht dabei mit. Kritische Auseinandersetzungen finden höchstens noch auf der LeserInnenbriefseite statt. Regina und Bernhard Clasen,

Susanne Grabenhorst,

Mönchengladbach

Vielen Dank für das wunderbare Interview mit Peter Singer. Großartig! Nun verstehe ich endlich, was dieser Mann uns sagen will. Nur verstehe ich nicht mehr, warum man ihn kritisiert. Seine Argumentation ist mir durch ihre innere Geschlossenheit in der Logik sehr sympathisch. Seine Thesen und Beobachtungen sind leicht nachzuvollziehen. Von Menschenfeindlichkeit oder gar Ermordung des sogenannten „lebensunwerten Lebens“ ist da keine Spur. Warum? Vielleicht sollten wir uns überlegen, seine Thesen von seinen Prämissen abzutrennen. Seine Prämissen sind klar formuliert. [...]

Trotz des undifferenzierten Bevormundens: Mit großer Freude betrachte ich es, daß gerade in Deutschland diese Gegenresonanz, dieser Aufruhr entsteht. Daß Rebellion gegen Singers Prämissen entsteht, wir unseren ethischen Konsens verteidigen. Daß die Lehren aus dem 3. Reich nicht vergessen sind. Viele gibt es nicht, aber das ist (m)ein Grund, stolz auf dieses Land zu sein. Dietmar Wilkens, Köln

Daß ihr Peter Singer nicht nur interviewt, sondern das Ganze dann auch noch abgedruckt habt, ist sehr lobenswert und zeugt von journalistischem Mut. Gleichwohl ist zu bemängeln, daß das Gespräch inhaltlich nicht besonders gehaltvoll ist, was sicherlich auch an Singer selbst liegt. Denn abgesehen davon, daß der Mann zu einigen Fragen, auf die seine KollegInnen auch keine Antwort wissen, eine kontroverse Meinung vertritt (die die Debatte zwar am Leben hält, sie aber nicht notwendig weiterbringt), ist er doch eher ein mittelmäßiger Philosoph. Um so unverständlicher ist es, daß er hierzulande von einigen so vehement abgelehnt, nachgerade bekriegt wird. Wenn sich in den teutonischen Köpfen von links bis rechts endlich einmal die Einsicht durchsetzte, daß Muße, insbesondere Muße zum Nachdenken, eine der höchsten Tugenden ist (wie Aristoteles befand), ließe sich die Kontroverse um Singers Thesen leicht auf das ihnen angemessene Maß zurechtstutzen. Der Mann hat nämlich keine Antworten auf die brennenden Probleme der Zeit und weiß oftmals nicht einmal die richtigen Fragen zu stellen. (Wie es auch im Interview deutlich wurde: Der individuelle Entscheidungsnotstand von Ärzten in medizinischen Grenzfällen, wie er von Reinhard Merkel so hervorragend thematisiert wurde, wird von Singer einfach übergangen mit dem Hinweis, religiöse Überzeugungen und emotionale Regungen seien moralisch irrelevant.) In einem Punkt hat Singer recht: Die Analogisierung seiner Thesen mit dem Nazi-Gedankengut ist nicht nachvollziehbar. Im anglo-amerikanischen Raum gilt Singer als radikaler Linker und als politisch korrekt – und so blöd können unsere Freunde im Westen ja nun auch nicht sein! Matthias Gronemeyer,

Hamburg

Es ist wichtig, die Thesen Singers zu diskutieren, ihm aber, wie ihr es mit dem Interview getan habt, auch noch kostenlose Public Relation für sein neues Buch zu bieten, ist vollkommen daneben. Ihr hättet ohne Rücksicht auf die Anziehungskraft dieses Dienstleistungsethikers auf viele LeserInnen ein Interview mit ihm ablehnen sollen, sofern er als Bedingung eine Werbung für sein Buch verlangt. Das hätte Stil gehabt und hätte euch unterschieden von der üblichen nach Attraktionen schielenden Journaille.

Statt dessen ein reichlich zahmes Interview.

Singer gibt offen zu, daß seine Thesen von staatlichen Machthabern als Rechtfertigung für den Mord an sogenannten Lebensunwerten benutzt werden könnten. Er würde sich dem angeblich entgegenstellen. Es ist nur immer so, daß ein geistiger Brandstifter nie einen Wasserschlauch zur Hand hat. [...]

Singer verdient eigentlich diese ganze Medienaufmerksamkeit nicht. Er liefert nur äußerst flache Rechtfertigungen für die Bedürfnisse der meisten Vertreter der modernen Biotechnologie und Medizin. Das macht er allerdings provokanter als andere Bioethiker. Werner Reisberger, Bochum

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