: „Arbeitslos nichtwegen zu hoher Löhne“
■ DGB legt Zahlen über Kaufkraft und Unternehmensgewinne seit 1975 vor
Düsseldorf (AFP/dpa) – Die Kaufkraft der westdeutschen Arbeitnehmer ist nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im dritten Jahr in Folge geschrumpft. Die Unternehmensgewinne steigen hingegen weiter und nähern sich den Höchstständen der letzen 20 Jahre an. So seien die realen Nettolöhne und -gehälter je Beschäftigtem 1995 um weitere 1,3 Prozent gesunken, faßte DGB- Vorstandsmitglied Michael Geuenich am Sonntag eine aktuelle Studie zusammen. Seit 1993 hätten die Arbeitnehmer damit einen Kaufkraftverlust von insgesamt 4,9 Prozent hinnehmen müssen. Damit hätten sie sich von ihren Löhnen im lezten Jahr nur 1,5 Prozent mehr kaufen können als 1980 – allerdings sei die Arbeitszeit seit 1980 um zehn Prozent gesunken.
Die Unternehmen haben nach DGB-Berechnungen finanziell weit besser dagestanden. Gemessen an der realen Nettorendite des eingesetzten Kapitals haben die Gewinne 1995 das Niveau der Vollbeschäftigungszeiten Anfang der 70er Jahre erreicht. Seit 1975 seien die Stückgewinne der Unternehmen um 111 Prozent hochgeschnellt. Die Lohnkosten pro Produkt seien dagegen nur um 68 Prozent gestiegen. „Die eigentlichen Leidtragenden seit der Rezession 1993 sind die Arbeitnehmer mit Reallohnverlusten und mit dem Abbau von einer Million Arbeitsplätzen seit Mitte 1992“, kritisierte Geuenich.
Dabei sei der Anstieg der Lohnnstückkosten in Westdeutschland – in nationaler Währung gerechnet – deutlich geringer gewesen als im Schnitt der deutschen Handelspartner. Dieser Vorteil sei aber durch die starke D-Mark-Aufwertung wieder ausgeglichen worden. „Alle Fakten weisen daraufhin, daß die anhaltende Massenarbeitslosigkeit nicht auf zu hohe Löhne zurückgeführt werden kann.“
Die ostdeutschen Löhne nähern sich unterdessen schrittweise denen im Westen an. In Ostdeutschland hat die Kaufkraft nach der Studie im vergangenen Jahr um 2,6 Prozent zugenommen. Brutto hätten die ostdeutschen Einkommen damit im Durchschnitt 76 Prozent und netto 81 Prozent des Westniveaus erreicht, allerdings bei einer fünf Prozent längeren Arbeitszeit. Die DGB-Analyse wird heute offiziell vorgestellt.
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