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Rechtschreibung ohne Duden Von Mathias Bröckers

Das wird ja wieder ein schöner Humbug sein, dachte ich mir, als das neue „Word“-Programm mit automatischer Rechtschreibkorrektur daherkam. Kaum ein Produkt hatte in der letzten Zeit eine so schlechte Presse wie Windows '95, und da schon die alten Rechtschreibprüfer kaum etwas taugten, waren meine Erwartungen an das neue Programm mehr als gering.

Doch die erste Überraschung kam schon im ersten Satz – das Wort „Humbug“, ein relativ selten benutztes Wort, ging anstandslos durch. Anders als in vorherigen Versionen, bei denen nur fertige Texte durch die Korrekturmühle geschickt werden konnten, läuft die Korrektur jetzt während des Schreibens mit, vermeintliche Tipp-Fehler werden sofort rot unterstrichen, Kleinschreibungen am Satzanfang automatisch in Großbuchstaben umgewandelt. Das ist schon alles, aber verglichen mit den alten Versionen werden jetzt selbst zusammengesetzte Hauptwörter wie Rechtschreibprüfer, Kokaindealer oder Nichtraucherschutz akzeptiert.

Selbst die alte Scherzfrage, ob es nun Vogelparadiese oder Vögelparadiese heißt, läßt das Programm korrekt passieren – laut Duden ist eben beides richtig. Hier, bei dem Wort Duden, handelt sich dieser Text die erste Unterstreichung ein (und bietet auf Mausklick als Alternative „Dudeln“ an), und das ist schon ein Witz – ein Rechtschreibprogramm, das den Duden, auf dem es basiert, nicht kennt.

Wo doch ansonsten wichtige Eigennamen enthalten sind: Daimler-Benz, Siemens oder Deutsche Bank werden akzeptiert, ebenso wie Hans, Otto, Fritz, Sabine, Rita oder Hannah. Daß auch der Name Microsoft in der deutschen Version akzeptiert wird, Corel, Borland und andere aber nicht, mag noch angehen, Bill Gates wird immerhin als unbekannt unterstrichen. Dafür sind Goethe, Schiller, Leibniz und Schopenhauer enthalten, Einstein und Planck ebenso wie Hitler und Stalin, Marx und Engels, Napoleon und Julius Cäsar, doch dann tun sich große Bildungslücken auf: Voltaire, Rousseau, Descartes, Newton, Dostojewski und Dante, alles große Unbekannte, Churchill ist wieder vorhanden, Eisenhower und Adenauer ebenso wie Thatcher, Mitterand und Reagan, Bush und Clinton sind dagegen unbekannt, und Kohl läuft ohnehin als Gemüse mit. Der „Kaiser“ – Beckenbauer – ist immerhin ein Begriff.

Auch die Abteilung der bösen Wörter erweist sich als halbwegs bestückt: ficken und vögeln fallen zwar ebenso aus wie Pimmel, Möse und Analverkehr, Arschlöcher, Scheißer und Kacker aber werden erkannt, Titten-Liebhaber können mit Verständnis rechnen. Ebenso sind die juvenilen Standard-Adjektive – ätzend, kraß, cool, geil – solo kein Problem; affengeil, megacool und ähnliche Zusammensetzungen allerdings werden moniert.

Ingesamt ist das Standardwörterbuch also durchaus brauchbar, auch wenn Vorsilben wie das Be- in Be- und Entwässerung nach wie vor durchfallen und als Alternative Bäh angeboten wird. Im Kanalisationsjargon (auch diese Neubildung wurde gefressen) ist Bäh aber so schlecht nicht.

Jedenfalls für ein Rechtschreibprogramm, das den Duden nicht kennt und jedes Wort durch seine Wiedererkennungsmechanik dudeln muß.

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