■ Mit Verbrauchermärkten auf du und du: König Kunde
Berlin (taz) – Manchmal wird der „kleine Mann“ ganz groß: Kaum hatten die Briten zugegeben, daß wahnsinnige Rinder möglicherweise auch Menschen verrückt machen können, wollten viele Verbraucher auch in Deutschland keine anonyme Fleischware aus dem Supermarkt mehr essen. 20 Prozent Umsatzeinbuße beim Rindfleisch ließen dann auch die Großen nachdenken, in diesem Fall Kaiser's, mit 250 Supermärkten einer der größten im Osten: Seit gestern verkauft die Handelskette nur noch Rindfleisch aus Ostdeutschland, überwiegend aus Brandenburg.
Die rund 100 Agrarbetriebe, die künftig an Kaisers's liefern, mußten sich vertraglich verpflichten, daß sie kein Tiermehl verfüttern und daß ihre Rinderherden seit mindestens zwei Generationen frei von „britischem Einfluß“ sind. So soll BSE-verseuchtes Fleisch ausgeschlossen werden. Ferner werde das Fleisch zukünftig neben den üblichen Untersuchungen auch auf Wachstumshormone, Antibiotika und Parasitenbekämpfungsmittel hin analysiert, kündigte Kaiser's an. Selbst das verwendete Futtermittel soll regelmäßig bei den Bauern kontrolliert werden.
Der Handelsriese führte damit einen Direktvertrieb ein, wie man ihn bisher eher von Bioläden kennt. Der Clou ist: Jedes Stück Rindfleisch aus dem Tiefkühlregal trägt einen Aufkleber mit der Nummer des Bullen und der Adresse samt Telefonnummer der Agrargenossenschaft. So kann zukünftig der Kunde beim Landwirt direkt anrufen und die Art der Haltung sowie Fütterung selbst erfragen.
Unterstützt wird die Aktion sowohl vom Landwirtschaftsministerium als auch vom Bauernverband Brandenburgs. Sie hoffen auf ihre Chance gegen das billiger produzierende EU-Ausland. Doch auch hier hat Kaiser's noch Angst vor König Kunde: Roulade und Gulasch werden nämlich in Zukunft 10 bis 15 Prozent teurer sein als die bisherigen Billigfleischimporte aus Frankreich. Werden die Kunden da mitmachen? Brandenburgs Landwirtschaftsminister Edwin Zimmermann bemüht schon eine andere Katastrophenmeldung, um die Verbraucher zu einem tieferen Griff in die Tasche zu bewegen: „Inzwischen weiß ja auch jeder, wie gefährlich es ist, mit Billigflügen durch die Gegend zu rauschen.“ Matthias Urbach
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