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Statt Russenmafia

Im Klischee verrannt: Ist die Berliner jüdische Gemeinde krimitauglich? Eine Polemik zum nächsten SFB-Tatort „Tod im Jaguar“  ■ Von Marcus Hertneck

In der guten alten Zeit lachten wir noch unsere rauhen Lacher über die Kastratensänger in den deutschen Feuilletons, als sie uns den Begriff der political correctness lehren wollten. Bunter Mann dürfe man nicht mehr sagen, so schrieben sie, sondern: African Native, und Roma und Sinti seien auch keine umherziehenden Zigeuner. Und so ging das in einem fort. Wir Ossi-Wessis, Fixer, Techno-Popper und Yuppies, Singles und Junkies konnten da nur dämlich grienen. Political correctness im wilden Land der Tribes und Zielgruppen? Wie soll das gehen?

Heute aber bleibt einem das Lachen irgendwo stecken. Eine Art von political barbarism scheint sich durchzusetzen. Inzwischen sagt keiner mehr Bundesrepublik, weil es jetzt Standort D heißt. Auch so herrliche Wörter wie Kapitalist und Proletarier sind verschollen. Buchstabenreihen wie „links“ und „rechts“ haben sich ins Bedeutungs-Off geschwungen. Und nun wollen sie im Fernsehen auch noch das Wörtchen „Diskriminierung“ tilgen.

Zwei Stern-Journalisten haben sich für ihr allererstes Drehbuch einen „Tatort“ einfallen lassen. Das stimmt gütig. Allererst! Da wird natürlich viel und wild geplottet. Das muß man verstehen. Aber Peter Sandmeyer und Raimund Kusserow haben eine recht eigenartige kriminelle Energie in ihrem Büchlein walten lassen. Arglos schrieben sie von einem Berliner Juden als einem Opfer-Täter, der im Import von Geld und im Export von Waffen nach Arabien tätig ist. Ein hochgeachtetes Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Berlin, das vordergründig Synagogen bauen läßt und hinterrücks seine wunderschöne Tochter enterbt. Einer, der von sich selbst sagt, er lebe in einem „goldenen Käfig“ – und dafür andere darben läßt. Zum guten Schluß soll der Mann dann als Opfer seiner eigenen Intrigen versuchen, uns mitleidig zu stimmen...

Mehr soll hier nicht verraten werden. Schließlich wird das Stück erst am 9. Juni versendet. Nur soviel: Der Film ist nicht gerade gut. Und er ist, so möchte man wohl meinen, politisch inkorrekt (ha, jetzt ist es aufs Papier hingewühlt!). Die Grundstory hätte in so ziemlich allen kriminellen Milieus spielen können, die Berlin zur Zeit zu bieten hat: das Postlermilieu, die BVG-Seilschaften, die Schwabenmafia etc. Warum also wählten die Autoren gerade das Jüdische als Krimi-Ornament? Um in uns Zuschauern den Hauptstadt-Suspense zu erzeugen?

Justus Boehnke, der Leiter der „Tatort“-Abteilung des SFB, meinte dazu in einer ersten Pressemitteilung, daß seine Autoren nicht die üblichen Klischees von Stasi und Russenmafia bedienen wollten. „Gleich der erste Fall spielt in Berlins jüdischer Gemeinde, die in Deutschland einzigartig ist. Im Moment hat sie ungefähr 200.000 Mitglieder, wobei die Zahl weiterhin sprunghaft ansteigt, vor allem durch den Zuzug aus Ost-Europa. Da verbirgt sich eine politische Problematik, mit der man sich einfach auseinandersetzen muß.“

Der SFB hat diesen Bericht in Hamburg verteilt und rasch wieder einstampfen lassen, zumal der „Druckteufel“ aus 20.000 Juden flotte 200.000 gemacht hatte. Und das, wo diese Gemeinde zur Zeit nicht mal über 20.000, sondern nur über etwas mehr als 10.000 Mitglieder verfügt. Der Druckteufel war also zudem schlecht informiert.

Politisch korrekt, wie wir bewegt sind, bohren sich diese Fragen ins Hirn: Welches Klischee soll uns da das heißgeliebte Stasi-Russen-Klischee ersetzen? Eine „einzigartige“ jüdische Gemeinde, die da „sprunghaft“ wächst und uns politisch „Probleme“ machen will? Was für eine neue Sorte Bösmensch soll das sein, die da unseren SFB-Kommissar Winfried Glatzeder narrt und deppt?

Die Redaktion, der Regisseur Jens Becker, auch der Darsteller des reichen Juden, Ivan Desny, haben indes alles unternommen, um die Drehbuchfigur des undurchsichtigen Spekulanten-Juden möglichst freundlich und individuell erscheinen zu lassen. Leider nur geht dieses nette Zurechtschminken eines Bösewichts auf Kosten der Spannung. Denn auch in schlechten Krimis ist es üblich, daß der Gegenspieler des Kommissars dämonische Züge tragen muß. Krimis arbeiten mit Alltagsmythen. Deswegen funktioniert dieser auf honorig getrimmte SFB-Waffenschieber, Töchter-Enterber und Spekulant auch nicht so richtig. Er zeugt nur von einer heillosen Vermischung haschender Polit-Mythen aus der Unzeit und dem unmöglichen Bemühen, uns das auf eine politisch korrekte Weise verkaufen zu wollen.

Aber! Der politische Anstand, den wir in unseren Liedern besingen, ist keine Formsache, die da mäntelt. Political correctness ist von ihrer Wurzel her der Ausdruck von Feinsinn, von Neugier und von historischem Bewußtsein, auch in unseren rauhen Popzeiten. Und an diesem SFB-„Tatort“ ist was so tumb wie faul, daß es einem weh tun kann.

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