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Virtuelle Hunde beißen nicht

Was Doggen, Dalmatiner, Schäferhunde und Promenadenmischungen so alles auf öffentlichen Straßen und Wegen hinterlassen, ist unglaublich. In Berlin, der Hauptstadt der Hunde, ist das besonders schlimm. Und alle Versuche, die stolzen Hundehalter (meist harmlos wirkende, bierbäuchige Zeitgenossen im Jogginganzug) unter Strafandrohung zur Beseitigung dieser übelriechenden Tretminen zu verpflichten, haben sich in der Praxis nicht durchgesetzt.

Während eines Spaziergangs durch Neukölln, bei dem ich natürlich wieder mal voll reingetreten bin, kam mir die Idee: Man müßte diese Viecher in den Cyberspace schicken – dorthin, wo sie niemanden erschrecken oder stören können und vor allem keine stinkenden Exkremente hinterlassen. Die virtuelle Internet-Gemeinde kann das sicher verkraften, und wer dann immer noch das Bedürfnis nach einem treuen Gefährten verspürt, kann einfach draufklicken.

Und da es in der virtuellen Welt nichts gibt, was es nicht schon gibt, werde ich auch sofort fündig: Bei „Dogz – Your Computer Pet“ (http://fido.dogz.com/ dogz/) kann ich ein „Adoption Kit“ laden und mir aus fünf Welpen einen aussuchen, dessen Herrchen ich sein möchte. Hach

wie niedlich – ich kann per Mausklick mit Chippie und den anderen über den ganzen Bildschirm Ball spielen und werde per Soundkarte angekläfft.

Ich muß nur aufpassen, daß ich nicht gleichzeitig die Textverarbeitung offenlasse – wer weiß, was so ein junger Köter mit meiner Kolumne macht. Aber im Moment schnarcht er ganz friedlich in einer Bildschirmecke. Über die Dogz-Homepage kann ich mit anderen Hundebesitzern Erfahrungen austauschen und ihnen Bildschirmfotos meines Chippies zeigen – ganz so wie im richtigen Hundeleben. Eine Screenshot- Funktion ist zu diesem Zweck gleich eingebaut, und wenn ich Shockwave, ein multimediamäßiges Netscape-Plugin habe, geht es erst so richtig los.

Und wenn Chippie eines Tages von uns geht, kann ich ihn sicher auf dem virtuellen Pet Cemetery begraben. Kein Pal, kein Chappi, kein Gassigehen – nur 20 Dollar für die Adoption, (die Vollversion des Programms mit dem ganz persönlichen Kläffer, den ich nach Wunsch gestalten kann).

Das kann sich der virtuelle Hundehalter neben dem Billig-PC noch leisten. Zugegeben, das Ganze ist ziemlich bescheuert. Aber einen großen Hund in einem kleinen Großstadtapartment zu halten und dann friedliche Zeitgenossen mit Tretminen zu molestieren ist mindestens genauso bescheuert.

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