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Für britische Euro-Gegner läuft alles nach Wunsch

■ Die Euroskeptiker freuen sich, doch Majors Erfolg ist fraglich. Denn die meisten Wähler geben der Regierung, nicht den Europäern die Schuld an der Beef-Krise

Teddy Taylor war gerührt. „Vier unserer Eurogegner kamen mir aus dem Unterhaus entgegengerannt“, sagte der Tory-Abgeordnete aus dem südenglischen Southend, der sich zur Sitzung verspätet hatte. „Einer versuchte sogar, mich zu umarmen. Es sei phantastisch, schrie er, jetzt liefe alles nach Wunsch.“ Großbritanniens Premierminister John Major hatte der Europäischen Union gerade angekündigt, daß er sie lahmlegen werde — aus Rache für das weltweite Exportverbot britischen Rindfleisches, das die EU im März wegen des Rinderwahnsinns BSE verhängt hat.

Vor allem Spanien, Österreich und Deutschland warf er vor, wissenschaftliche Erkenntnisse in den Wind geschlagen und nicht mal das Exportverbot für Rinderderivate wie Talg, Samen und Gelatine gelockert zu haben. „Wir können in Europa nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagte Major, „wenn einige unserer Partnerländer jede Vernunft, den gesunden Menschenverstand und Großbritanniens nationale Interessen außer acht lassen.“ Taylor und seine euroskeptische Riege glauben, die Regierung sei nun auf „einer Achterbahn, die Großbritannien geradewegs aus dem europäischen Alptraum herausführen“ werde. Denn für Major, so glauben auch politische Kommentatoren, führt kein Weg mehr zurück, nachdem er sich vor den antieuropäischen Karren spannen ließ. Bald werde er gezwungen sein, weitere Schritte in diese Richtung zu gehen.

Majors Taktik, die mit Außenminister Malcolm Rifkind und dem proeuropäischen Schatzkanzler Kenneth Clarke abgesprochen ist, tritt umgehend in Kraft. Künftig wird die britische Regierung sämtliche EU-Direktiven blockieren, bei denen Einstimmigkeit gefordert ist. Darüber hinaus wird man auch nicht länger bei den Regierungskonferenzen kooperieren. Falls die Angelegenheit nicht bis zum 21. Juni geklärt ist, dann wird Major das Schlußkommuniqué auf der Konferenz des Europarats in Florenz nicht unterzeichnen. Damit wäre das Papier null und nichtig.

Die Folgen sind zunächst freilich gering. Akut bedroht sind drei Direktiven, von denen jedoch zwei auf eine britische Initiative zurückgehen. Und in Brüssel wartet man mit zahlreichen Beschlüssen ohnehin auf die britischen Wahlen, um danach mit Labour ins Geschäft zu kommen. Mit Majors antieuropäischem Kurs ist das Wahlkampfthema vorgezeichnet. Spätestens im Mai 1997 muß gewählt werden, doch es ist möglich, daß sich Major aufgrund der Euphorie auf den Hinterbänken zu einem Termin im Herbst 96 hinreißen läßt.

„Der Krieg gegen Deutschland ist vorbei“

Ob diese Rechnung aufgeht, ist aber fraglich. Umfragen haben ergeben, daß doppelt so viele WählerInnen der britischen Regierung die Schuld an der Beef-Krise geben als den europäischen Nachbarn.

Paddy Ashdown, Chef der Liberalen Demokraten, sagte vorgestern zu Major: „Die meisten Leute ziehen den Schluß, daß die euro-skeptische Minderheit auf den Hinterbänken die Außenpolitik der Regierung unter ihre Kontrolle gebracht hat. Es geht offenbar eher darum, diese Hinterbänkler zu beruhigen, als das Vertrauen in den Fleischmarkt wiederherzustellen.“ Und Labour-Chef Tony Blair philosophierte über Major: „Es sind starke Worte, aber es fehlen Einzelheiten, die verraten würden, was er genau meint.“

Majors Einschwenken hinter den Euro-Gegnern hat jedoch nicht nur Begeisterung in seiner Partei ausgelöst. Die frühere Ministerin Edwina Currie meinte: „Einige meiner Tory-Kollegen haben ihre Sinne nicht mehr beieinander. Indem man den Europäern Beleidigungen entgegenbrüllt, wird man das Exportverbot nicht los. Das macht die Sache nur schlimmer und schwächt langfristig unsere Position. Was zum Teufel hat der Premierminister bloß vor?“

Das fragt sich auch Bryan Nicholson, der Präsident des britischen Industrieverbands. Er sagte am Dienstag abend: „Angesichts dieser aufgeheizten Mischung aus romantischem Nationalismus und roher Fremdenfeindlichkeit frage ich mich manchmal, ob es Menschen unter uns gibt, die noch nicht gemerkt haben, daß der Krieg gegen Deutschland vorbei ist.“ Ralf Sotscheck

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