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Dem Sinn des Pesens auf der Spur

■ Über Pfingsten finden in der City Nord die Europameisterschaften der Radkuriere statt

„That's our fuckin' Woodstock!“, soll einmal ein Teilnehmer behauptet haben. Andreas Pesen Gauer genießt die Anekdote von einer der vergangenen Meisterschaften sichtlich. Auch sonst ist der Pressesprecher ganz froh: Die StörteBiker Hamburg e.V. haben die Europameisterschaften der Fahrradkuriere nach Hamburg geholt.

Am Pfingstwochenende kommen 600 Transport-Radler aus den Metropolen Europas in der City Nord zusammen, um sich in der stau- und abgasfreien Speditionskunst zu messen. Pesen Gauer, Weltmeister im Boten-Sprint, wird schon ganz hibbelig bei der Beschreibung der Wettkämpfe: Die meisten Konkurrenten starten in seiner Disziplin. „Ich hatte trainieren wollen, bin aber in den letzten Monaten kaum noch vom Telefon weggekommen“, klagt er und grinst dabei, offensichtlich auf das offizielle Biker-Doping, Koffein plus Kohlenhydrate, vertrauend.

Als der prestigeträchtigste Wettbewerb gilt das Kurier-Rennen. Ein vertrackter, dreieinhalb Kilometer langer Parcours simuliert die Anforderungen des Biker-Alltages: Sendungen sind auszuliefern, die Räder treppauf, treppab zu buckeln oder ein Reifen zu wechseln. Andere Fahr- und Speditionskünstler messen sich in Hochsprung, Fun-Race – wer erinnert sich noch an Spiel ohne Grenzen? – oder beim gemeinen Lastenrennen. Pesen kichert: „Wir hatten da an Kühlschränke gedacht.“

Eine Catering-Meile hält auch für Besucher des Events kohlenhydratreiche Kost und Energydrinks bereit. An weiteren Ständen kann Rad-Hightech erworben werden, und in Workshops soll eifrig diskutiert werden, wohl auch über den Sinn des Pesens: Ist es bloß ein Job, Sport oder Lifestyle? Das letzte Abenteuer der Zivilisation? Die härtesten Krieger im urbanen Asphaltdschungel? Oder gar animalische Urkraft, die losbricht, wenn das „Tier im Kurier“ (Szene Hamburg) wild wird? Die Europameisterschaften sollen den Erklärungsbedarf stillen. Und den Fahrern die Möglichkeit bieten, mit sportlichen Höchstleistungen gegen ihr schlechtes Image anzukämpfen: „Rüpel“ gehört noch zu den zurückhaltenderen Unmutsäußerungen.

Am Sonntag um 22 Uhr wird aber nicht mehr argumentiert und die Stirn in Falten gelegt, wenn die StörteBiker zum Abhotten ins Altonaer Gaswerk einladen. DJ Reno legt beim Doom Delivery – The Ultimate Messenger Burnout auf.

Stefan Kreft

Die Wettbewerbe gehen von morgen bis Pfingstmontag über den Asphalt des Überseerings in der City Nord (S-Bahnhof Rübenkamp). Morgen ab 11.30 bis 18 Uhr wird die Qualifikation bestritten, anschließend beginnen die Work-shops. Am Sonntag geht es schon um 10 Uhr los, um 17 Uhr wird das Fun-Race gestartet. Die Endläufe im Einzel der Männer und Frauen beginnen am Montag um 12.30 Uhr, um 16 Uhr ist Siegerehrung.

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