: Unscharfe Verschärfung
■ Polizeigesetz: Staatsrat Prill will notfalls auch Gebietsverbote legalisieren
„Ich hab doch gar nichts gemacht!“ – Dieser Ausspruch, auch wenn er unstrittig wahr ist, wird bald nichts mehr nützen. Denn nach dem neuen Polizeigesetz, das gestern im Innenausschuß beraten wurde, braucht eine Gefahr nicht mehr unmittelbar bevorstehen. Es reicht die Prognose, daß sich eine Straftat ereignen könnte, um gegen einen potentiellen Täter einen „Platzverweis“ (vierstündiges Aufenthaltsverbot) auszusprechen.
Diese vierte Änderung des Hamburger Polizeigesetzes will Staatsrat Wolfgang Prill aber nicht als Verschärfung verstanden wissen, erklärte er den Abgeordneten. Es sei eine „Konkretisierung“ der Gesetzesformulierung „unmittelbar bervorstehende Straftat“. Künftig bedeutet das: eine Prognose. Das sei, als wolle man sagen, „Weihnachtsmänner im Sinne des Gesetzes sind auch Osterhasen“, kommentierte der Polizeihochschuldozent Ulrich Stephan dies kürzlich in einer Anhörung.
Der CDU geht die Änderung indes nicht weit genug: Sie beantragte, auch die für ein halbes Jahr geltenden „Gebietsverbote“ in die „Konkretisierung“ des Polizeirechts einzubeziehen. Es sei doch ein Wunder, daß Richter bisher akzeptierten, das Gebietsverbot auf die sogenannte „Generalklausel“ zu stützen. Genau das wollte Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) ursprünglich auch tun, stieß aber auf massiven Widerstand seiner Partei und zuckte zurück. Wenn Richter künftig nicht mehr mitspielen sollten, kündigte Prill gestern an, werde man das Polizeirecht erneut ändern.
Der GALier Manfred Mahr erinnerte ebenso eindringlich wie vergeblich daran, daß die auf die Drogenpolitik in St. Georg zugeschnittene Änderung für alle HamburgerInnen gelte und auch für die Vertreibung anderer Randgruppen mißbraucht werden könnte. Die SPD teilte die Bedenken nicht. Erhard Pumm: „Wenn sich das Gesetz nicht bewährt, muß man es eben wieder zurücknehmen.“ Die Ausschußmehrheit stimmte dem Senatsantrag zu. Silke Mertins
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