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Plumpsack spielen mit Plutonium

Das Bundesamt für Strahlenschutz glaubt zu wissen, wieviel Plutonium in Morsleben schlummert. Doch zuweilen gibt's Überraschungen. Grüne meinen, 50 Gramm aufgespürt zu haben  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Wieder Verwirrung um das Atommüllager Morsleben. „Dort lagern illegal 50 Gramm Plutonium“, verkündete gestern der Sprecher der bündnisgrünen Fraktion von Sachsen-Anhalt, Michael Rost. Der Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), habe das bisher verschwiegen. „Da ist nichts dran“, entgegnete BfS-Sprecher Arthur Junkert, „es sind nur 3 Gramm.“ Bereits im März will das BfS davon im Landtag berichtet haben. Und das Bundesumweltministerium sekundierte: Die Einlagerung in das Endlager direkt an der niedersächsischen Grenze bei Helmstedt sei völlig legal und „sicherheitstechnisch unbedenklich“.

Doch Junkert gibt zu, daß das BfS die gemeldeten Quellen erst mal überprüfen muß. Seine Angaben beruhen auf den ihm vorliegenden Dokumenten. Daß nicht immer alles stimmt, was in den Akten der Betreiber steht, zeigte sich zuletzt im Februar. In zwei Fässern fand sich überraschend Kobald 60 und Caesium 137 – Kernbrennstoffe, die nach Auffassung des bündnisgrünen Umweltstaatssekretärs von Sachsen-Anhalt, Wolfram König, in Morsleben nichts zu suchen haben: „Dafür gibt es keine Genehmigung.“ König fordert erneut den Stopp der Einlagerungen, bis eine unabhängige Kommission den Inhalt des Lagers überprüft habe. „Seit langem fordern wir eine Inventur. Der Großteil der radioaktiven Stoffe lagert dort rechtswidrig.“

Während das BfS im aktuellen Streit von sieben Plutonium-Beryllium-Quellen spricht, mit insgesamt drei Gramm Plutonium, sind es nach den Unterlagen Rosts fünfzehn mit jeweils drei Gramm, plus eine 92prozentige Plutoniumlösung von einem Gramm (die Lösung reicht theoretisch aus, um eine Großstadt zu vergiften).

Aus seinen Unterlagen, einer 13 Jahre alten Vereinbarung zwischen dem Atomkraftwerk Greifswald und dem Staatlichen Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS) – dem DDR-Gegenstück zum BfS – geht weiter hervor, daß das SAAS sich nur für zwei Prozent des eingelagerten Mülls in Morsleben zuständig fühlte. „Den Rest verwalteten die Deponie-Betreiber nach eigenem Gutdünken“, so der Fraktionssprecher der Grünen, „die haben das betrieben wie ein Flaschenlager.“ Er vermutet weitere Überraschungen. „Das BfS denkt“, spottet Rost, „das SAAS wäre vergleichbar mit der eigenen Aufsicht.“

All das ficht Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) und das BfS nicht an. Sie wollen weiter Atommüll in Morsleben endlagern – es ist ihr einziges genehmigtes Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll.

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