„Ich radikalisiere Strauss“

■ Im Gespräch: Claus Guth, Regisseur von Richard Strauss' Oper „Ariadne auf Naxos“, ein Stück über die Korrumpierbarkeit der Kunst / Premiere am Samstag im Theater am Goetheplatz

Am Samstag abend hat am Theater am Goetheplatz Strauss'/Hofmannsthals „Ariadne auf Naxos“ Premiere. Die 1912 entstandene und 1916 überarbeitete Oper ist ein Stück übers Theater, über das Komponieren, über Mäzene, über tragische Treue und leichtfertiges Komödiantenleben. Es geht um einen Kompositionsauftrag über die von Theseus verlassene Ariadne auf Naxos. Der Auftraggeber will die Komposition dann mit der Aufführung einer Commedia dell'Arte-Gruppe mischen – die einaktige Oper kreist um die daraus entstehenden Konfusionen und Kollisionen. Inszeniert hat der Münchener Claus Guth, der damit sein Bremer Debut gibt.

taz: Herr Guth, es gibt die heroische Ariadne, die auf den Tod wartet, es gibt den Komödiantenalltag, es gibt den Komponisten, der entsetzt ist über den Umgang mit seiner Musik: Wo setzen Sie den Schwerpunkt?

Claus Guth: Es gibt in der ganzen Literatur kein Stück, das sich derart einem klaren Zugriff widersetzt. Seine Qualität ist genau die Widersprüchlichkeit, die Ästhetik des Kontrastes. Deswegen Konzept? Kann ich nicht beantworten.

Es gab zwischen Strauss und Hugo von Hofmannsthal, der das Libretto geschrieben hat, ja eine heftige Kontroverse über den Schluß. Hofmannsthal wollte den Begriff der Treue und das Wunder der Verwandlung akzentuiert haben, und Strauss wollte eine Synthese zwischen Poesie und Parodie ...

Zwischen Ariadne und Bacchus gibt es ein geniales Mißverständnis. Ariadne hält Bacchus für den Tod, den sie erwartet. Daraus entsteht etwas Drittes, nämlich eine verwandelte Liebe, wie eben auch zwischen dem Träumer Hofmannsthal und dem Pragmatiker Strauss. Sie hatten bei allen Mißverständnissen ihrer lebenslangen Zusammenarbeit beide eine tolle Intuition für die Kraft des anderen. Das Stück kippt ständig zwischen höchster ekstatischer Theatralität, Ironie und krasser Banalität. Wenn zwei Realitäten aus verschiedenen Welten durch ein Formprinzip zusammengezwungen werden, entsteht etwas Neues.

Was heißt das konkret für die szenische Umsetzung?

Man sieht ein Theater von innen, einen hermetischen Raum wie vielleicht bei Kafka. Daraus wird durch Licht und Kostüme ein Zauberraum. Bacchus ist der einzige, der nicht eingesperrt ist, er kommt als Tenor in Straßenkleidung, weil er dachte, daß er konzertant singen muß. Erst allmählich wird er Bacchus.

Es ist auch ein Stück über die Korrumpierbarkeit von Kunst. Welchen Stellenwert hat der im Stück auftretende Komponist?

„Laß mich erfrieren, daß ich dies zugelassen habe“, sagt er am Ende über das Chaos der Aufführung. Ich lasse ihn tatsächlich versteinern oder erfrieren. Meine Fassung erzählt – hoffentlich – sehr scharf etwas über Künstler und Geldgeber.

Hat es eine inhaltliche Bedeutung, daß der Komponist ein Mezzosopran ist?

Also, ich fasse ihn als androgynen Menschen auf, aber die Frauenstimme ist bei Strauss wieder einmal eine rein pragmatische Entscheidung. Er wollte nicht noch einen Tenor und kannte eine gute Frau.

Geht es denn überhaupt an, im Ersten Weltkrieg eine tonale Oper über die Vermischung von opera seria und opera buffa zu schreiben, einem längst vergangenen Prinzip der Opernästhetik? Hofmanns-thal meinte ja von Strauss, er habe eine „fürchterliche Tendenz zum Trivialen und Kitschigen“.

Das muß man historisch nicht so eng sehen. Diese Überschneidungen hat es schon immer gegeben. In diesem Sinne ist das Vorspiel für mich eins der größten Würfe der Musikgeschichte. Verrückt, wie da Banales neben Hohem steht, wie Realität und Kunst sich überschneiden. Und ich meine schon, daß das zumindest von Hofmannsthal eine durchaus experimentelle Grundanordnung ist. Das l–Art pour l'Art von Strauss radikalisiere ich ja im Sinne eines kafkaesken Ansatzes. Commedia dell'Arte an sich fand ich noch nie komisch.

Was fasziniert Sie an der Oper, die sich als einzige musikalische Gattung seit Jahrhunderten gleichbleibend hoher Aufmerksamkeit erfreut?

„Ariadne“ ist ja geradezu ein Fallbeispiel für das Phänomen Oper. Durch Musik, besonders durch den menschlichen Gesang werden Emotionen und Irrationalitäten zu Größe und Gewalt gebracht. Das ist im Schauspiel nicht möglich.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

Samstag, 19.30 Uhr, Theater am Goetheplatz