: Christa Superstar
■ So machen Dokumentationen Spaß: "Nico-Icon" - ein "Kleines Fernsehspiel" über die "Velvet Underground"-Sängerin Christa Päffgen (22.15 Uhr, ZDF)
Sie war eine Schönheit, die als Model die Pariser Modewelt entzückte, bis sie die Modewelt und schließlich auch ihre Schönheit zu hassen begann. Sie ging nach New York, landete irgendwie in Andy Warhols Factory und war eine Zeitlang die Stimme von „Velvet Underground“. Ihre rauchige Stimme hatte jenes entscheidende Etwas, das Songs wie „Femme Fatale“ oder „All tomorrow's parties“ erst kultig machten.
Nach ihrem Ausstieg bei „Velvet Underground“ tingelte sie in den Achtzigern mit eigenen Bands durch die Welt und quetschte zu schaurig-schönen Depri-Songs brüchige Melodien aus ihrem Harmonium. Nach jahrelangen Heroin-Exzessen körperlich nur noch ein Wrack, war ihr Ende von kaum zu überbietender Banalität: 1988 fiel sie auf Ibiza vom Fahrrad und starb. Ausgerechnet Ibiza!
Die Rede ist natürlich – Kenner haben's längst erraten – von Christa Päffgen, die in Düsseldorf ihren ersten Schrei tat und später als Nico zum einzigen internationalen Popstar wurde, den die deutschen Lande bis heute hervorgebracht haben. Susanne Ofterdinger hat ein faszinierendes Porträt dieser schillernden Frau gedreht. Eine Annäherung an eine Figur in Form einer Collage, die zunächst durch ihre ungeheure Materialfülle besticht. Ob Kinderfotos oder französische Werbespots für Cognac oder Modeaufnahmen aus den frühen Sechzigern, Ausschnitte aus Spielfilmen, in denen Nico mitwirkte (unter anderem Fellinis „Dolce Vita“), Archivbbilder aus Warhols Factory, Konzertmitschnitte der Musik-Clips zu Nicos frühen Plattenaufnahmen – es scheint, als könne es gar keine (bewegten) Bilder aus dem Leben der Christa Päffgen geben, die hier nicht in irgendeiner Weise berücksichtigt wurden. Raritäten wie die Kurzfilmchen (Clips würde man heute sagen) zu ihren ersten Solo- Singles und reihenweise andere Schätzchen, was nicht nur eine enervierende Sucherei gewesen sein muß, sondern auch mit allerhand Feilschereien um die Rechte verbunden gewesen sein dürfte.
Des weiteren hat Susanne Ofterdinger eine Vielzahl von Leuten aufgespürt, für deren Leben Nico auf die eine oder andere Art von Bedeutung war. Ihre 83jährige Tante in Berlin ebenso wie die Pop-Größen Jackson Browne, die VU-Mitglieder John Cale und (den nun auch schon toten) Sterling Morrison (Lou Reed wollte nicht), die Regisseure Paul Morrissey und Nico Papatakis (bei dem sich Nico ihren Künstlernamen „borgte“), Schauspieler wie Viva („Superstar“ aus vielen Warhol- Filmen), Lover, Begleitmusiker und nicht zuletzt Nicos Sohn Christian Aaron Boulogne, Produkt ihrer Liaison mit Alain Delon, zu dem dieser sich nicht bekannt hat.
So wie das titelgebende Wortspiel den entscheidenden Tick zu klug ist, um nur blöde zu sein, sind auch die visuellen Effekte in Ofterdingers inzwischen mehrfach ausgezeichneter Dokumentation mehr als nur verspielte Manierismen. Und von einer ehrfürchtigen Heldenverehrung hat das Ganze ohnehin erfrischend wenig. Natürlich ist der Film in erster Linie was für Pop-Freaks, Sixties-Nostalgiker und Nico-Fans, doch auch alle, denen der Name womöglich noch nie untergekommen ist, dürften sich hier kaum langweilen. So machen Dokumentationen Spaß, und genau so wollen wir sie haben. Reinhard Lüke
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