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Lächeln und Händeschütteln

Die Kommunistische Partei Rußlands pflegt einen neuen Stil. Die Wahlkampfstrategie für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen heißt Offenheit und Populismus  ■ Von Danila Galperowitsch

Die Reaktion der russischen Wähler auf Wahlspots westlicher Machart zeigte sich deutlich im Ergebnis der Duma-Wahlen im Dezember 1995. Weder das Bild der glücklichen Familie, die loszieht, um für die Liste „Unser Heim ist Rußland“ zu stimmen, noch die Macho-Generäle Lebed und Gromow in vollem Ornat, die zur Wahl der „Vereinigung der russischen Gemeinden“ und „Mein Vaterland“ aufriefen, erregten besonderes Aufsehen, ebensowenig wie das dicke Mädchen, das in seiner Begeisterung für die Liberaldemokraten von einer Liebesnacht mit Wladimir Schirinowski träumt. Und die Kommunistische Partei, die über 150 Sitze in der Duma kassierte, erreichte dieses Ergebnis eher trotz als wegen des Fernsehauftritts ihrer Führungsriege vor scharlachrotem Banner.

1993 hatte sich „Rußlands Wahl“ der russischen Öffentlichkeit mit einem wohlgenährten Hund präsentiert, der sehnsüchtig die Heimkehr seines Herrchens vom Wahllokal erwartet. Viele, besonders alte Menschen, denen die Wirtschaftsreform nur Armut und Sicherheitsverluste gebracht hat, empfanden diesen Spot als Beleidigung. Wladimir Schirinowski dagegen nutzte seine Sendezeit, persönliche Erklärungen aller Art abzugeben, angereichert mit unzähligen Versprechungen. Seine Liberaldemokratische Partei erzielte überwältigende Erfolge. Schirinowski hatte einen neuen Weg in die Herzen und Köpfe der Bevölkerung gefunden. „Ich bin der Mann, der euch helfen kann – und zwar sofort“, schien er zu sagen. Die Zuschauer mochten das und stimmten entsprechend.

Dennoch übernahmen die Kommunisten 1995 keineswegs Schirinowskis Rezept. Sie verwiesen das Fernsehen vielmehr auf den zweiten Platz und kümmerten sich statt dessen um den direkten Kontakt zu ihren Wählern in den Provinzen. So bereiste ihr Chef Gennadi Sjuganow das Land und sprach mit den Menschen. Zeitungen und Fernsehen berichteten über seine Treffen mit Kommunalpolitikern, das war echte Wahlwerbung. Sjuganow orientierte sich damit an der Strategie seiner Gegner Michail Gorbatschow und Boris Jelzin, deren Popularität immer dann wuchs, sobald sie ihre Limousinen verließen und sich unters Volk mischten. Außerdem arbeitete er hart an seinem Image als moderater Politiker und achtete in seinen Reden darauf, daß sie Respekt für die orthodoxe Kirche, Anerkennung von Privatbesitz und möglichst keine Revolutionsparolen enthielten. Seine Treffen mit dem Wahlvolk waren gut vorbereitet und ihrem Charakter nach weniger politische Versammlungen als akademische Seminare.

Verantwortlich für diesen neuen Stil ist die Public-Relations- Firma „Stiftung für das geistige Erbe“. Sie beriet Sjuganow bei seinen Wahlreden und erarbeitete die Strategie, daß die regionalen Spitzenkandidaten der Kommunistischen Partei landesweit bekannt waren. Als Gegenleistung wurden den Stiftungsdirektoren Plätze in der kommunistischen Fraktion der Duma freigehalten.

Auch bei den Präsidentschaftswahlen im Juni arbeitet die Stiftung strategisch federführend für die Kommunisten. Man bemüht sich nicht nur um die traditionelle Klientel, Niedriglohngruppen und Rentner. Im Januar erklärte Sjuganow, daß man vielmehr mit den Fachkräften arbeiten wolle, mit Lehrern, Ärzten, Militärs und Wissenschaftlern, die alle unterbezahlt und unzufrieden sind.

Auch die Taktik gegenüber den Medien hat sich verändert. Bisher waren die Kommunisten äußerst verschlossen – aus Angst, man könne ihnen etwas in den Mund legen; heute sind sie der Presse gegenüber zugänglich. Anfang März überraschten sie die Parlamentskorrespondenten: Die gesamte Führungselite der Partei unterhielt sich auf den Fluren angeregt mit den Journalisten. Später wurde bekannt, daß auf einer Fraktionssitzung beschlossen worden war, Journalisten müsse ab sofort höchster Respekt gezollt werden. Das war ein wirksamer Schachzug, bedenkt man vor allem die immer ablehnender werdende Haltung staatlicher Stellen gegenüber den Medien.

Zur Zeit haben Journalisten größte Schwierigkeiten, aus dem Präsidialamt Stellungnahmen zu irgendeiner politischen Problematik zu bekommen. Dessen Angestellte dürfen ausländische Gäste nur noch mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verwaltungschefs oder seines Stellvertreters einladen. Je näher die Präsidentschaftswahlen rücken, desto mehr wird sich der Kreml gegenüber Journalisten vermutlich wieder öffnen. Solange Boris Jelzin es aber nicht schafft, Wähler und Journalisten direkt und nicht immer mit vorbereiteten Statements anzusprechen, darf ein Sieg über seinen Hauptrivalen Sjuganow nicht als Selbstverständlichkeit angenommen werden.

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