: Tennisspielen auf Staatskosten
■ Berlin muß sparen – und verschwendet 328 Millionen
Berlin (taz) – Die Finanzlage Berlins ist nach Einschätzung des Landesrechnungshofes nicht nur dramatischer denn je – sondern auch zum Teil selbst verschuldet. In seinem Jahresbericht bemängelte der Landesrechnungshof gestern unnötige Ausgaben der öffentlichen Hand in Höhe von insgesamt 328 Millionen Mark. Wenn Berlin so weitermache, so der Bericht, steige der Schuldenberg der Stadt bis 1999 auf 66,9 Milliarden Mark – bei einem Gesamthaushalt von etwa 42 Milliarden. Der Präsident des Rechnungshofs, Horst Grysczyk, betonte, es gebe „keine Alternative zum Sparen“. Über die bereits beschlossenen Kürzungen hinaus sollen 1997 bis 1999 weitere 26,4 Milliarden Mark gespart werden.
Dabei mutet es ironisch an, wie locker staatliche Gelder manchen Einrichtungen und Staatsdienern sitzen. Da unterhält die Berliner Verkehrsgemeinschaft auf einem Betriebshof eine komplette Tennisanlage mit Clubhaus, die mit jährlich 200.000 Mark subventioniert wird. Der ehemalige Senator für Bau- und Wohnungswesen, Wolfgang Nagel (SPD), zwackte dem Etat seines Ressorts im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Mark ab, um eine Zeichnung von Christo („Wrapped Reichstag“) zu erwerben. Dabei war die zuständige Kulturverwaltung längst dabei, den Kauf mit Lottomitteln zu betreiben.
Unter den Staatsbeamten ist nicht nur die Frühpensionierung verbreitet, sondern es grassieren auch die Langzeiterkrankungen. 446 Beamte blieben bereits länger als neun Monate der Arbeit fern. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer der Langzeiterkrankten liegt bei 15 Monaten. Laut Grysczik habe ein Lehrer offenbar seine mehrjährige Freistellung vom Dienst dazu genutzt, seine Doktorarbeit zu verfassen.
Auch ein Forschungsprogramm zur Frauenförderung wurde bemängelt: „Möglichkeiten und Grenzen des Arbeitseinsatzes von Eseln in kleinbäuerlichen Betrieben unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsergebnisse der Frauen am Beispiel zweier Regionen in Marokko“ biete keinerlei arbeitsmarktpolitischen Nutzen für Berlin, so Grysczyk. Stephanie v. Oppen
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