■ Druck der USA stellt Europas Kubapolitik auf die Probe: Die spanische Garderobe
Von wegen freier Handel! Das US-Embargo gegen Fidel Castros Kuba wollte davon noch nie viel wissen. Daß es in dreieinhalb Jahrzehnten denkbar erfolglos war, hindert die USA nicht daran, es nun auch über die eigenen Grenzen hinaus auszuweiten: Das State Department hat die ersten Drohbriefe an Firmen aus Italien, Mexiko und Kanada verschickt, weil deren Geschäfte mit Kuba den USA nicht in den Kram passen. Einer ganzen Reihe von Firmen aus Europa und Deutschland steht in den nächsten Wochen ähnliche Post ins Haus.
Daß eine italienische Firma für ihre Geschäfte mit Kuba nach einem US-amerikanischen Gesetz vor Gericht gestellt werden soll, ist eine Anmaßung Washingtons, die weniger absurd ist als vielmehr unerträglich. Das Ganze wirkt archaisch, wie ein Stück aus dem Kalten Krieg: Nicht nur Besitzer, Geschäftsführer und Anwälte der Firmen dürfen, so die Drohung der USA, demnächst nicht mehr ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten einreisen, sondern auch noch deren Familienangehörige.
Wirtschaftlich haben manche Unternehmer durch den Druck Washingtons kalte Füße bekommen und ihre Projekte auf Eis gelegt. Politisch aber, so schien es, wurde dadurch nicht Kuba international isoliert, sondern vielmehr die USA. Die Proteste aus Europa, Kanada und Lateinamerika gegen Washingtons Kubapolitik war so breit wie nie zuvor. Diese Front jedoch hat in den letzten Tagen einen tiefen Riß bekommen. Just zum Madridbesuch des US-Vizepräsidenten Al Gore hat die neue Regierung Aznar eine Kehrtwende der spanischen Kubapolitik verkündet. Es soll keine Kredite mehr geben, und alle nicht-humanitären Hilfsleistungen sollen gestrichen werden.
Mit Aznars Wende steht die EU-Politik insgesamt auf der Probe. Denn Spanien hat nicht nur die intensivsten Wirtschaftskontakte mit seiner ehemaligen Kolonie, Madrid hatte sich bislang auch politisch am weitesten für eine Verbesserung der Beziehungen zu Kuba aus dem Fenster gelehnt. In den Augen der Bonner Regierung oft zu weit. Gegenüber Felipe González' Havanna-Diplomatie hatte Kinkels seinerzeitiger Mann für Lateinamerika vollmundig verkündet: „Wir müssen klarmachen, daß die Europäische Union ihre Kubapolitik nicht an der spanischen Garderobe abgibt!“ Die EU sollte dies nach Aznars Kotau vor den USA jetzt klarmachen. Sehr klar. Bert Hoffmann
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